Propstei Oberpleis der Benediktinerabtei Siegburg



Erläuterungen
EBA        Erzbischöfliches Archiv
SUB        Siegburger Urkundenbuch
Flink        Flink Robert, Die Geschichte von Oberpleis.1955
Lacomblet      Lacomblet J. Th., Urkundenbuch zur Geschichte des Niederrheins 1. 1840
Redlich          Redlich O. R., Jülich-bergische Kirchenpolitik. 1907
Wisplinghoff  Wisplinghoff Erich, RheinVjbll 33, 1969



Besitz zu Oberpleis wurde der Abtei Siegburg bereits von Erzbischof Anno II. geschenkt (SUB I 8); eine Propstei zu Oberpleis ist 1121 bezeugt (SUB I 34). Sie wurde wahrscheinlich von Abt Kuno I. (1105 bis 1126), dem Begründer des Siegburger Zellensystems, als erste Außenstation errichtet; die Vermutung, sie habe schon vor 1105 bestanden (Flink, Oberpleis S. 86 f.), ist unbegründet, aber auch nicht schlüssig widerlegbar. Die Existenz einer älteren klösterlichen Niederlassung an dieser Stelle, die nur in zwei wahrscheinlich neuzeitlichen Fälschungen erwähnt wird, ist mehr als zweifelhaft (dazu Flink, Oberpleis S. 35 ff. und, die Gründe gegen die Echtheit der beiden Stücke noch einmal zusammenfassend (Wisplinghoff, RheinVjbll 21 S. 420). Wie groß der noch in der Mitte des 15. Jahrhunderts bezeugte Konvent zu Oberpleis war (Siegburg, Urk. 601), ist nicht bekannt; die aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts stammende unbelegte Nachricht, dort habe sich in früherer Zeit das Noviziat der Abtei befunden (EBA Köln, Siegburg I 4), bleibt besser außer Betracht. Der Propst war gleichzeitig Pfarrer, nachdem die dortige Pfarrkirche der Abtei inkorporiert worden war (SUB I 81 von 1206 März 19). Der eigentliche Pfarrdienst ist wohl meist von einem Weltgeistlichen versehen worden, obwohl nach der Inkorporationsurkunde die Seelsorge Sache der Mönche sein sollte; allerdings ist darüber erst aus den späteren Jahrhunderten Genaueres bekannt, (vgl. die allerdings unvollständige Liste der Pfarrvikare bei Maaßen, Gesch. Pfarreien Dekanat Königswinter S. 509). Laut eigener Aussage hat der seit 1542 im Amt befindliche Propst Daniel von Krieckenbeck gen. Beick selbst zeitweise den Gottesdienst versehen müssen, doch geht aus dem Zusammenhang hervor, daß es sich dabei um eine Ausnahmesituation gehandelt hat (Redlich, Kirchenpolitik 2, 2 S. 89 von 1550 Sept. 6). Die Propstei hatte das Patrozinium des hl. Pankratius; zu den weiteren Patronen Primus, Felicianus und vermutlich Lupianus der vorher dort bestehenden Kirche (vgl. Flink, HeimBllSiegkreis 22 S. 41 ff. und SUB II).

1181 war der Propstei von Erzbischof Philipp von Köln eine besondere Immunität bestätigt worden; der Abt von Siegburg bzw. der von ihm eingesetzte Propst waren danach Hochgerichtsherren (SUB I 70 von 1181, nach Nov. 13). Ob sich daraus eine Landeshoheit der Pröpste im Oberpleiser Bereich entwickelte, ist jedoch zweifelhaft, wenn dies auch im 17. Jahrhundert behauptet wurde (Siegburg, Akten 433); auch in der neueren Literatur, die diese These zu stützen versuchte, wurden keine brauchbaren Belege beigebracht (Flink, Oberpleis S. 131 ff.). Das in diesem Zusammenhang herangezogene Weistum des Schlosses Windeck von 1449 (Lacomblet, Archiv 7 S. 364 ff.) läßt vielmehr vermuten, daß schon die Grafen von Sayn als die früheren Vögte von Oberpleis solchen Bestrebungen einen Riegel vorgeschoben haben. Nur die Jagdberechtigung zu Oberpleis blieb den Pröpsten stets erhalten. Letztes Anzeichen für eine ehemals freiere Stellung war die gesonderte Veranschlagung des Propstes zur Türkensteuer 1542 (Flink, Oberpleis S. 129).

Aber es gab noch in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts schwere Auseinandersetzungen zwischen dem Abt Bertram von Bellinghausen und dem Propst Johann von Holzem, der seiner Propstei letztmalig größere Freiheiten zu verschaffen suchte. J. v. Holzem ließ am 22. Jan. 1637 elf Einwohner von Oberpleis sowie den Landdinger des Lands und Amts Blankenberg über folgende Punkte eidlich abhören: die Pröpste würden vom Kapitel von Siegburg gewählt, erhielten die Kollation vom Abt, würden in Oberpleis von der Kanzel öffentlich verkündigt und von den bergischen Beamten mit Glockenlauten investiert. Nach dieser Einführung verfüge der Propst über die Güter und Gerechtsame der Abtei als absolutus Administrator. Im gleichen Zusammenhang ließ der Propst feststellen, die Propstei sei ursprünglich für elf geistliche Personen gestiftet worden (EBA Köln, Siegburg I 4). Weiter wurde behauptet, der Vorgänger des jetzigen Abts habe schon zur Zeit des Propstes Scheiffart von Merode, also im Lauf des Jahres 1619, versucht, der Propstei bestimmte Einkünfte und vor allem den von der Mosel kommenden Wein zu entziehen. Unter Verletzung der Oberpleiser Immunität habe der jetzige Abt von bewaffneten geistlichen und weltlichen Personen einen Überfall vornehmen lassen, bei dem es zu schweren Schädigungen und Plünderungen gekommen sei. Nach einer letzten Zeugenbekundung hätte es zur Zeit des Propstes Gumpert von Ahr (1555-84) noch mehrere Konventsmitglieder zu Oberpleis gegeben (EBA Köln, Siegburg I 4), eine Angabe, die angesichts der Forderungen des Visitationsrezesses von 1555 und der seit dem 15. Jh. so stark abgesunkenen Zahl der Siegburger Mönche kaum glaublich erscheint.

Auch die weiteren Behauptungen dieses Verhörs fordern zur Kritik heraus. Von der angeblichen Wahl des Propstes durch den heimischen Konvent konnten die Befragten nur wissen, was sie von dem Fragesteller gehört hatten. Alle anderen Nachrichten besagen aber, daß die Einsetzung der Pröpste ausschließlich Sache des Abts war. Leider liegen auch keine Notariatsinstrumente oder sonstige Urkunden über die Einsetzung der Pröpste in Oberpleis vor, im Gegensatz etwa zu Hirzenach. Bekannt ist nur, daß 1542 die Investitur des damaligen Propstes Daniel von Krickenbeck durch den Bonner Archidiakon erfolgte (Redlich, Kirchenpolitik 2, 2 S. 89), doch scheint aus zwei weiteren Urkunden hervorzugehen, daß die Investitur sich nur auf die Pfarrkirche in Oberpleis bezog (Siegburg, Urk. 729 von 1507 Febr. 19, 799 von 1536 Okt. 10).
Über Besitzerwerbungen für Oberpleis sind Nachrichten erst aus den Jahren 1212 und 1218 erhalten (SUB I 87 und 89); die zweite Urkunde, ausgestellt von Erzbischof Engelbert I. für die Propstei, läßt auf ihre etwas unabhängigere Stellung gegenüber der Abtei wenigstens in vermögensrechtlichen Dingen schließen. Auch aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts liegen einige Urkunden vor, laut denen der Propst ohne die ausdrückliche Genehmigung des Abts in eigenen Geschäften tätig war (SUB I 222 vom 1. Okt. 1309, SUB I 237 vorn 25. Mai 1315). Von wirtschaftlichen Schwierigkeiten wurde Oberpleis allem Anschein nach am frühesten in der abteilichen Grundherrschaft betroffen (SUB I 129 von 1256); weitere Einzelheiten sind darüber jedoch nicht bekannt.

Die Krise scheint hier aber auch früher als im Mutterkloster überwunden gewesen zu sein, wie der Kauf des Weilerhofs für 256 Mark durch den Propst Heinrich zeigt (SUB I 237 vom 26. Mai 1315). Aus dem späteren Mittelalter sind Nachrichten über die Geschichte von Oberpleis kaum vorhanden. In dem Visitationsrezeß des Erzbischofs Adolf von Schaumburg von 1555 (Kurköln VIII 446/8) wurden die Pröpste von Oberpleis und Hirzenach angewiesen, ihre Kollegen in Zülpich und Millen zu unterstützen; offensichtlich galten die beiden ersten Zellen als besonders vermögend. In den unruhigen Zeiten am Ende des 16. und zu Anfang des 17. Jahrhunderts hat die Propstei anscheinend schwer gelitten. 1637 anläßlich des oben erwähnten Zeugenverhörs war behauptet worden, daß Kirche und Propsteigebäude ganz baufällig waren (EBA Köln, Siegburg I 4). Der Propst Bertram von Ans hat auf dem ersten Blatt des auf sein Betreiben angelegten Lagerbuchs vermerkt, daß er 1645 mit dem Wiederaufbau der Propstei und ihres Vorhofs begonnen hat, daß er 1648 den neuen Altar in der Kirche, 1651 dort neue Bänke anbringen ließ, und daß 1653 die Kirche repariert und ausgemalt wurde (Siegburg, Akten 433).

Die Besitzungen der Zelle, über die wir das schon erwähnte Lagerbuch aus den Jahren 1642-1650 besitzen (Siegburg, Akten 433), sind im wesentlichen, so weit sich das verfolgen läßt, konstant geblieben. In dem Lagerbuch fehlen die Oberpleiser Güter zu Cond, Bruttig und Ellenz an der Mosel, die erstmals 1412 bezeugt sind (Siegburg, Urk. 453), aber aller Wahrscheinlichkeit nach schon im 11. Jahrhundert als Pertinenzen von Güls in den Besitz der Abtei gekommen sein dürften. Das Lagerbuch führt als Besitzungen der Propstei 7 Höfe auf, die durchweg in nächster Nähe von Oberpleis lagen, nämlich Schwirtzpohl, Weilerhof, Niederbuchholz im Kirchspiel Niederpleis, den Hof ufm Hammerscheid (?), den Propsteihof in Oberpleis, den Hof zu Niederdollendorf und den Hof auf der Hardt. Im 18. Jahrhundert scheinen allerdings manche Besitzungen, so etwa der Hof zu Niederdollendorf, direkt von der Abtei genutzt worden zu sein. Zehnteinkünfte, vor allem aus der Nachbarschaft, haben ebenfalls eine bedeutende Rolle gespielt. Einige Weingärten, die regelmäßig zum Teilbau ausgegeben waren, befanden sich in Ober- und Niederdollendorf, Rhöndorf, Lausdorf, Breitbach und Honnef. Lehen der Propstei waren die Oberpleiser Mark und der Hof der Abtei Heisterbach zu Bellinghausen. Es versteht sich fast von selbst, daß im Lauf der Jahrhunderte eine Reihe von Besitzungen verloren gegangen sind, wie der Vergleich der Urkunden aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts (SUB I 87 und 89) mit den hier wiedergegebenen Angaben des 17. Jahrhunderts zeigen kann.

Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts sind Belege dafür vorhanden, daß die Zelle nicht immer mit einem Propst besetzt war, sondern einem weltlichen Verwalter unterstand, so etwa 1586/87, als dort ein Daniel Kosten tätig war und mit dem Abt abrechnete (Siegburg, Akten 435/1). Seit 1736 nach dem Tod des Propstes v. Stael wurde Oberpleis nacheinander von zwei Mönchen v. Dobbe und v. Bassenheim verwaltet, die die Überschüsse nach Siegburg abliefern sollten. Das brachte keine vernünftigen Ergebnisse; der erste schickte nichts und verlangte noch Wein, der zweite schickte nur wenig. Ab 1749 gingen die Einkünfte direkt an die Abtei; die für die Jahre 1749 bis 1756 angegebenen Überschüsse schwankten zwischen 473 und 1242 Reichstalern, im Durchschnitt kam man auf fast 800 Reichstaler (EBA Köln, Siegburg VII 24). Ganz zuletzt war die Zelle wieder mit einem Propst besetzt. Trotz der verhältnismäßig hohen Einkünfte waren bei der Aufhebung nicht geringe Schulden vorhanden. Es ist anzunehmen, daß sie zum Teil auf die Kriegswirren und die Kontributionen seit 1794 zurückgingen, doch hat auch die alles andere als sparsame Lebensführung der Pröpste dabei eine Rolle gespielt (vgl. Siegburg, Akten 435 1/2; Wisplinghoff, RheinVjbll 33 S. 137Anm. 306).

Die Kirche der Propstei ist eine dreischiffige romanische Pfeilerbasilika, die kurz nach 1100 entstanden sein dürfte. Sie war ursprünglich flach gedeckt und wurde in der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts im Zusammenhang mit der Neugestaltung der Ostpartie eingewölbt. Der vorgelagerte massige Westturm stammt aus der Mitte des 12. Jahrhunderts. Die Krypta befindet sich unter dem Querhaus und Chor, die dadurch höher liegen als das Langhaus. In den Winkeln zwischen Querhaus und Chor standen 2 Türme, wie das auch bei der Klosterkirche von Siegburg und einigen anderen von ihr beeinflußten Kirchen der Fall war. Der Ostteil der Kirche wurde in der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts umgebaut und erhielt vermutlich einen Vierungsturm. Südlich an das Langhaus lehnte sich das Quadrat der Klostergebäude an, von denen einige Teile des aus dem 12. Jahrhunderts stammenden Bestandes mit einem Rest des Kreuzgangs erhalten geblieben sind. Eine Rekonstruktion des Zustandes von Kirche und Abteigebäuden um die Mitte des 12. Jahrhunderts hat Flink (Die Geschichte von Oberpleis S. 90) versucht. Die umfangreichen Bauarbeiten an Kirche und Kloster um die Mitte des 17. Jahrhunderts wurden schon erwähnt; auch danach ruhte die Bautätigkeit nicht. Gegen Ende des 17. und zu Anfang des 18. Jahrhunderts wurde ein großer Teil der Klostergebäude neu errichtet. Die Kirche erhielt damals eine barocke Innenausstattung (Kunstdenkmäler Siegkrs. S. 171).

Aus: Erich Wisplinghoff, Das Erzbistum Köln – Die Benediktinerabtei Siegburg -, Berlin 1975,  Seiten 69-73.

Bild von 1975
Autor: Erich Wisplinghoff / Bleistiftzeichnung Walter Bernstein; Repro: Irina Wistoff
Quelle: Das Erzbistum Köln – Die Benediktinerabtei Siegburg -, Berlin 1975, Seiten 69-73
Zur Verfügung gestellt von Willi Joliet: Bericht

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