Auszug aus den Erinnerungen des Josef Neuhöfer.
Der zweite Weltkrieg hatte gegen Ende auch im Amtsbezirk Oberpleis seine Spuren hinterlassen.
Am 19. März 1945 besetzten die Amerikaner den Ort Oberpleis.
Gegen Jahresmitte, als Josef Neuhöfer aus Kriegsgefangenschaft nach Oberpleis zurückkehrte, hatte man dort schon vieles, was durch das Kriegsgeschehen verwüstet war, beseitigt. Die schlimmsten Löcher in den meisten Häusern hatten die Menschen schon zugemauert. Viele Fenster waren bereits wieder verglast mit Scheiben aus Gewächshäusern oder aus der Glasfabrik in Porz. Die Stromleitungen waren unter Leitung von Wilhelm Bellinghausen, Josef Mohr, Adolf Lichtenberg und vielen weiteren Helfern bereits funktionstüchtig gemacht worden. Das Wichtigste, nämlich und Wasser und Strom waren wieder nutzbar.
Trotzdem sah es in Oberpleis noch verheerend aus. Der Kirchturm hatte ein großes Loch, das Bürgermeisteramt war eine Ruine, der Turm des Konstantiahauses war weg und die Häuser Jansen, Christian Lindlar und Johann Neuhöfer waren Schutthaufen.
Viele Flüchtlinge mussten untergebracht werden. In Sandscheid hatte man eine Baracke aufgebaut, die schon bald überfüllt war. Gastwirt Quick in Sand stellte seinen Saal zur Verfügung, die ebenfalls bald überfüllt war. Das Schlimmste aber war die Anordnung der Militärregierung, die Wohnungen von ehemaligen Parteigenossen so zu belegen, dass den Flüchtlingen die gleiche Menge Wohnraum zugewiesen werden musste, wie den Hausbesitzern selbst. Damit wurden die ehemaligen Parteimitglieder schlechter gestellt, obwohl ihre Mehrzahl niemals politisch aktiv war, sondern nur aus beruflichen Gründen zur Mitgliedschaft gezwungen worden war. Hier Gut und Böse auszusortieren, war unmöglich.
Aber wie sah es im Amt der Gemeindeverwaltung aus?
Die meisten Beamten und Abteilungsleiter waren in den letzten Kriegsjahren zum Militär eingezogen worden.
Bürgermeister Klein hatte sich mit den deutschen Truppen abgesetzt. Die letztverbliebenen Beamten, die auf Druck der Naziregierung in die Partei eingetreten waren, wurden von der Militärregierung entlassen.
Als Bürgermeister hatte die Militärregierung den Industriekaufmann Fußhöller, dessen Frau Engländerin war, eingesetzt. Das Bürgermeisteramt, wie es 1946 noch genannt wurde, war, wie ich schon erwähnte völlig zerstört. Nur der Ostgiebel stand noch. Den Angestellten und Beamten der letzten Kriegsjahre gebührt ein besonderer Dank, da sie in der Beschusszeit und während des Umzuges aus dem zerstörten Bürgermeister-amt in die Kirche, in der Privatwohnung und zuletzt im Jugendheim weiter ihren Dienst für die Gemeinde geleistet haben. Von Ende März bis Ende Oktober 1945 hat jeder Angestellte in seinem Aufgabenbereich die laufenden Verwaltungsgeschäfte völlig selbständig weitergeführt.
Da es kaum noch Polizisten gab, wurden nachts häufig die Orte mordend und plündernd von kriegsdienstverpflichteten Fremdarbeitern überfallen. Um den Bürgern Schutz zu gewähren, schoben die ortsansässigen Männer nachts Streifendienst. Erst am 15.10.1945 bekam Oberpleis auch wieder eine Polizei. Herr Bothe, Herr Willi Heidkamp und Herr Reese traten ihren Dienst an und versahen diesen bis zu ihrer Pensionierung.
So kann man sich gut vorstellen, dass unter diesen Umständen niemand Lust hatte, sich kommunalpolitisch zur Verfügung zu stellen. Die Militärregierung hatte zu dieser Zeit auf Kreisebene die alten Parteivorsitzenden von vor 1933 ausfindig gemacht, um Personen für den beratenden Ausschuss, der dem Bürgermeister zlur Seite stehen sollte, benennen zu können, die nicht der NSDAP gewesen waren. In Oberpleis war dies für die Zentrumspartei Heinrich Dahs (sen.)
Am 20.10.1945 fand unter Leitung von Bürgermeister Fußhöller ein erstes Treffen im Jugendheim statt.
Als Ausschussmitglieder hatten sich eingefunden: Anton Weber, Boseroth (Zentrum) Matthias Dahs, Eudenbach (Zentrum), Heinrich Horn, Stieldorf (Zentrum), Josef Neuhöfer, Oberpleis (Zentrum), Franz Weiler, Oberpleis (SPD), Heinrich Buchholz, Thomasberg (SPD) und Johann Trimborn, Birlinghoven (KPD)
Anfang 1946 wurden die Parteien von der Militärregierung beauftragt, eine Amtsvertretung in früherer Stärke zu benennen. Gemeindevertretungen gab es zu der Zeit noch nicht.
Am 13.2.1946 kamen die ersten Amtsvertreter zusammen.
Dies waren für Oberpleis: Matthias Dahs und Wilhelm Büllesbach, Eudenbach, Heinrich Klasen und Franz Symnofsky, Thomasberg, Anton Pickel, Berghausen Heinrich Reuter, Jüngsfeld, Ferdinand Schmitt, Bellinghausen, alle Zentrum sowie Heinrich Buchholz, Thomasberg und Franz Weiler, Oberpleis (SPD und Peter Winter, Oberpleis (KPD)
Für Stieldorf waren dies Heinrich Horn, Peter Jonas und Albert Broschek, alle Zentrum.
In der nächsten Sitzung am 12.3.1946 wurde der Kreis erweitert um einige Bürger, die schon vor 1933 in den Gemeindevertretungen gewesen waren. Die waren: Wilhelm Bellinghausen, Oberpleis, Johann Johnen, Wahlfeld, Christian Reuter, Niederbuchholz und weitere Personen aus Stieldorf und Eudenbach.
Dieser erste benannte Rat blieb bis zum 15.9.1946 im ‚Amt. In diesen acht Monaten entwickelte sich so langsam die Politik in Oberpleis.
Somit gab es nun wieder eine Gemeinde Oberpleis, eine Gemeinde Stieldorf und einen gemeinsamen Amtsbezirk Oberpleis.
Zu Ratsvertretern wurden gewählt: Frau Vurthmann, Johann Schumacher, Josef Neuhöfer, Adolf Röttgen, Heinrich Klasen, Heinrich Raths, Mathias Schmitt, Johann Otto, Johann Quirrenbach, Heinrich Kemp, Adolf Otto und Ferdinand Schmitt.
Zu Amtsvertretern wurden: Johann Schumacher, Anton Münch, Johann Herchenroth, Johann Quirrenbach, Fritz Neuhöfer, Frau Vurthmann, Adolf Otto und Wilhelm Bergmann.
Frau Vurthmann, Regierungsrätin a.D. bis daher in Oberpleis fast unbekannt, war vor 1933 in Berlin tätig, zuletzt im Kabinett Braun. Da sie sich vor den Nazis schützen musste, hatte es sie nach Pleiserhohn verschlagen. Sie war eine politische Größe, die mit dem späteren Bundespräsidenten Heinrich Lübke in freundschaftlicher Beziehung stand und im Hause Adenauer in Rhöndorf ein und aus ging. Erst nach dem Krieg erfuhren die Oberpleiser, welche politische Größe Frau Vurthmann war.
Der neu gewählte Rat stellte als erstes fest, dass der Bürgermeister ausgewechselt werden müsste. Herr Fußhöller war zwar ein ehrenwerter Mann, hatte aber keinerlei Erfahrung mit der kommunalpolitischen Verwaltung. Es wurde also eine Eingabe bei der Militärregierung gemacht mit der Folge, dass der gesamte Rat zu einer Verhandlung nach Siegburg ins Kreishaus vorgeladen wurde. Major Eg Brown hörte sich die Klagen des Rates an und gab seine Zusicherung, bald eine Entscheidung zu treffen. Kurze Zeit später wurde Herr Fußhöller abberufen. Der Rat musste nun einen neuen Bürgermeister wählen. Da Frau Vurthmann über die meisten Fachkenntnisse verfügte, kam nur sie in Frage und so wurde sie zur ersten Bürgerrmeisterin nach 1945 in Oberpleis gewählt.
Nach dem britischen Verwaltungssystem musste der Bürgermeister ehrenamtlich arbeiten, der Verwaltungsdirektor jedoch war ein Beamter. So wurde dann die Stelle eines Amtsdirektor ausgeschrieben. 1947 wurde Herr Zöller als Amtsdirektor eingestellt.
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