Die Wasserleitungs-Genossenschaft GmuH Oberpleis

Bild oben zeigt den verschlossenen Stockbrunnen am Osthang zwischen Mettelsiefen und dem Urort Thomasberg. Diese Quelle diente als Teil der Oberpleiser Wasserversorgung in der Zeit von 1897 bis 1957, als Oberpleis noch eine eigenständige Wasserversorgung hatte, vornehmlich der Belieferung der Bauernhöfe in Bellinghausen, Bellinghauserhohn und Bellinghauserhof. Die Leitung vereinigte sich schließlich im Bereich Auel, mit der über Hasenpohler Gebiet verlaufenden Hauptwasserleitung für Oberpleis.  Billd unten zeigt den Feldweg der vom Härenberg abzweigt und zum Stockpütz führt.

Um die Jahrhundertwende 1899 zu 1900 gründeten etliche größere Orte Wasserleitungsvereine, um auch der Land-bevölkerung und insbesondere der Landwirtschaft eine ausreichende Trinkwasserversorgung zu gewährleisten, wie dies in den Städten schon seit Jahrzehnten, wenn nicht gar seit Jahrhunderten, der Fall war. Kann man sich heute noch vorstellen, dass in unserem ländlichen Raum unser Trinkwasser, wie zum Teil heute noch in unterentwickelten Ländern, aus öffentlichen, privaten oder von privat zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung gestellten Brunnen (sogenannten Pützen) geschöpft und mit Eimern und der Seilwinde empor geholt und zur Küche gebracht werden musste? Auf die Probleme versiegender Brunnen in trockenen Jahren, auf Verunreinigungen diverser Art bis zur gesundheitlichen Schädlichkeit soll hier erst gar nicht eingegangen werden.

Tatsache ist, dass auch die Oberpleiser Bevölkerung im Jahre 1895 nach reichlicher Überlegung aus der Not geboren den Beschluss fasste, eine Wasserleitungsgenossenschaft zu gründen. Rechtsgrundlage waren die Bestimmungen des Genossenschaftsgesetzes, dem der Sozialgedanke des Friedrich-Wilhelm Raiffeisen – Einer für alle – alle für Einen – zugrunde lag. Gesetzlich war die Vereinigung eine Genossenschaft mit unbeschränkter Haftung, d. h. ein jedes Mitglied haftete unbeschränkt mit seinem gesamten privaten Vermögen für eventuelle Schulden der Genossenschaft. Ob es das heute noch gäbe, dass private Vereinsgründer es wagen würden, mit ihrem Privatvermögen für die Belange der Allgemeinheit einzustehen? Ich wage es zu bezweifeln. Wir sollten unseren Vorfahren für ihren Einsatz mit Dankbarkeit begegnen.

Im Jahre 1895 traf sich die Oberpleiser Bevölkerung in der Gaststätte Flink (gegenüber der Kirche), unter der Führung des Adolf Reuter, (Baumschulist in Jüngsfeld) Peter Lichtenberg (Krautfabrikant), Heinrich Flink (Betriebsleiter) und Ernst Thiebes (Gerber) und Andere, um eine Wasserleitungsgenossenschaft zum Zwecke der zentralen Wasserversorgung des Haushaltsbedarfs der Bewohner von Oberpleis und der Landwirtschaft zu gründen. Es wurde ein zehn Seiten umfassendes Statut beschlossen, das die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Gründungs- und künftigen Mitglieder regelt. Die Kosten für einen Brunnen, die Leitungen zum Dorf und zu den einzelnen Häusern wurde mit rund 20.000 Mark veranschlagt und wie auch bei heutigen Baumaßnahmen üblich, um 50 % überzogen, wie eine Vermögensbilanz per 31.12.1900 ausweist. Allein die Bankschulden beliefen sich auf zu diesem Zeitpunkt auf 25.748 Mark. Der Wasserpreis betrug damals 20 Reichspfennige je cbm.

Im Jahre 1900 hatte die Genossenschaft 43 Mitglieder. Oberpleis hatte etwas mehr als 1000 Einwohner, die statistisch gesehen einen Wasserverbrauch von 25,5 l je Person pro Jahr hatten. Dies ist jedoch nur statistisch so zu sehen, weil der überwiegende Wasserverbrauch seitens des Gewerbes und der Landwirtschaft geschah und somit die verbleibende Menge auf die Einwohner umgerechnet wesentlich niedriger lag. Wer hatte denn damals schon ein Wasserklosett? Wasser war für die Menschen zum Waschen und Kochen da! Gebadet wurde einmal in der Woche am Samstag und dann reichte eine Wanne voll für Vater, Mutter und die Kinder und es wurden anschließend auch noch die Socken in dem entstandenen ‚Sud‘ gewaschen. So war das damals!

Die Wasserabgabe von Mitglieder an Nichtmitglieder wurde mit 20 Mark je Vorfall geahndet, so dass auch damals schon Druck ausgeübt wurde, sich an die Wasserversorgung anzuschließen, wie das auch beim heutigen Verbandsrecht der Fall ist. Bereits im Jahre 1906 musste ein zweiter Rohrstrang über Hasenpohler Gebiet verlegt werden, wie aus einem Vertrag mit der Grundstückeigentümerin Frau Adelheit Püllen, Kippenhohn, ersichtlich, um die Wasserliefermenge dem steigenden Bedarf anzupassen. Dass die Wassermengen auch damals schon und insbesondere in späteren Zeiten knapp bemessen waren, beweist ein Artikel im Generalanzeiger vom 25.2.1953, in dem so nebenbei vermerkt wird, dass bei Feuersbrünsten in den meisten Fällen nicht mit Wasser, sondern nur mit Jauche gelöscht werden musste, so dass neben den durch Feuer verursachten Schäden auch weitere ‚Unannehmlichkeiten‘ bis zu Totalschäden entstehen würden. Oberpleis wuchs und wuchs, wenn auch nicht in dem heute markanten Tempo, aber die Anzahl der Abnehmer nahm stetig zu. So wurde 1951 auch noch der Ort Wahlfeld in die Belieferung aufgenommen. Im Juni des Jahres 1957 schließlich reichte die in Bassins aufgefangene Wassermenge nicht mehr aus, die Bevölkerung mit ausreichend Trinkwasser zu versorgen.

Glücklicherweise jedoch bestand seit 10.7.1951 der Wasserbeschaffungsverband Thomasberg, der über weit mehr als ausreichende Wasserbestände aus eigenen Quellen verfügte. Lange hatten sich die Dorfbewohner gewehrt, um ihre selbständige Wasserversorgung zu behalten und nicht ‚fremdbestimmt‘ zu werden, aber es half nichts. In Abstimmung mit dem Wasserwirtschaftsamt Bonn und dem Amtsarzt von Siegburg (so ein Text im Protokoll des WBV) übernahm der WBV notwendigerweise - praktisch im Handstreich - die gesamte Oberpleiser Wasserversorgung. Die Oberpleiser Genossenschaft wurde durch Generalversammlungsbeschluss aufgelöst und die Einzelmitglieder in einer Anzahl von über 7000 dem WBV zugewiesen. Ein paar interessante Zahlen aus den 1950er Jahren. Der Pro-Kopf-Verbrauch betrug ca. 25 Liter täglich – heute 60 Jahre später,  rechnet man mit 120-150 l, (in der Stadt rechnete man damals schon mit über 160 Liter täglich) es wurde eine Grundgebühr von jährlich 200 DM erhoben; damals viel Geld, was aber für die Investitionen, Erweiterungen und Neuerschließung weiterer Quellen im Siebengebirge durch den WBV erforderlich war.

Diese Grundgebühr gibt es auch heute noch in fast unveränderter Höhe: Sie beträgt 105 €. Der Wasserpreis lag in etwa bei 0,45 bis 0,60 DM/cbm und dieser sollte, sobald die Investitionen vorerst einmal abbezahlt sind, auf 0,15 DM/cbm gesenkt werden können. Heute liegt der cbm-Preis bei etwa 1,50 € und dazu belastet uns das Abwasserwerk mit noch einmal 3,75 € je cbm Schmutzwasser im Vollanschluss. Hauptabnehmer der Wasserbelieferung war damals um 1900 die Landwirtschaft mit 70 % und nur 30 % private Haushalte. Heute dürfte das Verhältnis mindestens umgekehrt sein, denn der Wasserverbrauch privater Haushalte ist durch Badezimmernutzung, Wasch- und Spülmaschinen sowie WC-Spülungen, Rasen sprengen und Autowaschen um das 4- bis 6-fache angestiegen. Landwirtschaftliche Betriebe dagegen muss man heute schon mit der Lupe suchen. So ändern sich die Zeiten und wir machen uns heute keine Gedanken darüber, woher unser Wasser kommt, das beim Aufdrehen des Wasserhahns in nie endend wollend erscheinender Menge unaufhörlich und in gesundheitlich einwandfreier Qualität zur Verfügung steht.“

Bild unten zeigt den Feldweg der vom Härenberg abzweigt und zum Stockpütz führt.

Bild von 2016
Foto und Bericht: Paul Winterscheidt
Zur Verfügung gestellt von Paul Winterscheidt

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