Schriften zum virtuellen Museum

"Die Öhligs Müll zu Ruthscheitt"

Ruttscheid liegt nicht weit von Döttscheid, zwei Dörfer mit der Endsilbe "scheid". Dazwischen wurde geschieden, durch eine Grenze. Als Erzbischof Wigfried 948 der Kirche zu Pleis ihre Grenzen bestätigte, war die Grenze schon da. Später hieß es, Döttscheid und Ittenbach im Churkölnischen Amt Wolkenburg, Ruttscheid und Oberpleis im Bergischen Amte Blankenberg. Döttscheid und Ittenbach gehörten zur Kirche nach „Wintere", Ruttscheid gehörte nach „Pleis,,. Viel später ist dann rechts und links der Straße nach Ittenbach die Grenze durch den Landgraben noch kenntlich gemacht worden.
Ruttscheid wird erstmals 1314 genannt, als Lambert von Honnef seinen Hof Kippenhohn an das Kloster Heisterbach verkaufte. Männer von Boseroth und Ruttscheid haben den Verkauf urkundlich bezeugt.

So alt sind allerdings die Hinweise nicht, die in Ruttscheid auf eine frühere Mühle hindeuten. Am Alten Keth tun sich im neuen Regenrückhaltebecken Ittenbach und Hohnsbach mit dem Rottbach zusammen und fließen dann als Rottbach durch Ruttscheid. Vor Kellersboseroth kommt noch der Gräfenhöhnerbach dazu, dann gehts gemeinsam als Lützbach Richtung Pleisbach. Wo der Rottbach die Straße erreicht, gibt es die Wegebezeichnung „Mühlenbitze", und etwas weiter, hinter den Häusern gibt es die Flurbezeichnung „Auf der Kluhs", und damit wäre die Lage der früheren Ölmühle schon lokalisiert.
Vom Gräfenhöhnerbach und vom Rottbach soll die Kluhs ihr Wasser bekommen haben, mit dem die Ölmühle betrieben wurde. Über die Ruttscheider Ölmühle erfährt man mehr aus einem alten Theylschein, einem Erbschein, der mit vielen anderen Familienakten von Franz Hermes in seiner großen Truhe aufbewahrt wird. Und in diesem Erbschein aus dem Jahre 1782 steht, dass „Johann Limbach und Gertrutha Michels, Eheleute, beide noch im Leben", ihren Besitz aufteilen. Den Ruttscheider Besitz erhalten Balthasar Hermes und Anna Catharina Limbach, Halfleuth auf dem Stöckerhof und den Besitz in Bellinghauserhohn erhalten Engelbert Bellinghausen und Anna Maria Limbach, Halfleuth auf dem Bellinghauserhof.

Auf dem „Theylschein“ liest es sich so:
Anno 1782, den 20 ten 7 bris, (Sept.) haben die zwei Erben des Johann Limbach und Gertrutha Michels noch im Leben, mit ihrer Bewilligung ihre hinderla/3ene Guther zu Bellinghausen und zu Ruthscheitt lassen messen, die Wiesen und Wüsten, ohn umliegende Hecken und Graben und Rain, und nur baubar Grund lind ein jeder solle und wolle auf seinen Stücken Rain und Hecken und Zaun getroß behalten, wie auch mit seinem aufstehenden Gehölz.

                           

Als folget

Morg.

Viert. Ruth.

Fuß

Die Ruthscheitter Güther

 

Erstlich das Haus und die Scheun mit der Gantzen Hofrecht

und Bungarden, haldet mit der ganzen Hofrecht Zusammen ad

1

15

2

2. tens  noch die Olligsmüll zu Ruthscheitt mit dem umliegenden Grund

Schließend unten auf die Straß, oben bis an den Damm,

häld an Grund ad

2

4

7

3. tens  noch ein Bungardgen ober der Closen, vürgeloßen die Clos und

Friedrich Limbach, hier ist die Clos ungemessen verblieben, sie

Gehöret aber hierzu, haltet

11

4


Und dann folgen noch 51 weitere Positionen, betreffend Felder, Wiesen und Gebüsch.
( die Closen -Kluhs- ist der Mühlenteich.)
Nach der ersten Katasterkarte lagen das Haus und die Scheun auf der anderen Straßenseite, der Mühle schräg gegenüber. Wenn man heute den Graben mit dem Wässerchen gefunden hat, das von Gräfenhohn herunterkommt, kann man sich kaum vorstellen, dass damit früher eine Mühle betrieben wurde. Aber damals war ja alles (besser) anders. Nun ist es durchaus möglich, daß schon vor der Zeit des Johann Limbach die Ölmühle betrieben wurde, denn zwischen 1728 und 1736 hat in Ruttscheid ein Sohn des Wahlfelder Müllers Elfenich gewohnt, der aber nach dem Tod des Vaters in die Wahlfelder Mahlmühle zog.
Die Ölmühle, die Johann Limbach 1782 an den Schwiegersohn Hermes übergab, war Nebenerwerb einer Landwirtschaft von 28 Morgen. Die Familie Hermes war Pächter auf dem Klostergut Stöckerhof. Darum wurde das ererbte Anwesen in Ruttscheid verpachtet. Im Jahre 1808 wird Heinrich Michels als Müller in Ruttscheid erwähnt. 1810 starb Balth. Hermes vom Stöckerhof, der Sohn Johann Peter wurde sein Nachfolger.

1821 musste die Familie den Stöckerhof verlassen, der preuß. Staat richtete dort eine Försterei ein. Johann Peter Hermes machte sich auf dem Keht in einem alten Gehöft als Ackerer selbständig. Die Mutter zog in das geerbte elterliche Anwesen nach Ruttscheid. Um diese Zeit ist wohl die Ölmühle abgebrochen worden. Auf der Katasterkarte von 1826 ist sie nicht mehr eingezeichnet.

Als Anna Katharina Limbach, die Ww. des Balth. Hermes 1838 starb, ließen die Kinder aus Gründen der Teilung das Inventar, Vieh und Frucht versteigern. Unter den Früchten waren 32 Bürden Flachs und sechs Sester Lein, der ölhaltige Flachssamen. Heute ist die uralte Kulturpflanze aus der Landwirtschaft verschwunden. Die Aufbereitung des Stengels zu Wolle und Faden ist zu aufwendig und umweltbelastend, und andere Ölfrüchte sind ergiebiger.

An die Mühle erinnert noch der Straßenname, und vielleicht ein gerade noch sichtbarer Mühlengraben. Aber das muss man erst einmal wissen.


Soweit die Geschichte der Mühlen in unserer Gemeinde. Sie wurde nicht aufgeschrieben, um an Romantik und Beschaulichkeit einer „ guten, alten Zeit" zu erinnern, sondern an ein altes Gewerbe, das auch mit Handarbeit angefangen hat, dann aber mit einer einfachen und begreifbaren Technik und der Kraft des Wassers Jahrhunderte lang betrieben wurde und jedem nützlich war. Einige Jahre nach dem letzten Krieg hatten dann die Wassermühlen ausgedient, das brachte die technische Entwicklung mit sich.
Aber an die Mühlen zu erinnern kann ja nicht schaden.
                                                     Bernhard Gast