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Die alte Mühle vom Weilerhof
Im Jahre 1863 starb auf dem Hof zu Weiler Anna Kath. Bellinghausen, die Ehefrau des Besitzers Wilhelm Klasen. Er selbst starb ein Jahr später bei einer Tochter zu Rott. Wenige Jahre später war der Hof geteilt, und er ist dann untergegangen. Heute steht dort ein Kindergarten. Die Geschichte fängt aber schon viel früher an.
Die Mühle zu Weiler wird 1417 erstmals erwähnt. Der Siegburger Schöffe Johann von Oissendorp zu Niederbach beschwert sich beim Abt von Siegburg, dass der Propst Rutger von Oberpleis mit seiner oberhalb am Lützbach gelegenen Mühle ihm mit seiner unterhalb gelegenen Mühle zu Wahlfeld das Wasser vorenthält. Der Abt von Siegburg schlichtete den Streit am 20. Mai 1417 in seiner Wohnung in der Abtei so, dass der Propst das Wasser des Bachs jeden Donnerstag für seine Mühle nutzen durfte, wenn er dann nicht konnte, samstagsmittags bis sonntagsmittags. Johann von Oissendorp aber durfte das Wasser die übrigen Tage der Woche nutzen. Das scheint eine Bevorzugung des Schöffen zu Ungunsten der Propstei gewesen zu sein.
Die Mühle zu Weiler dürfte sehr alt sein. Meiner Meinung nach gehörte sie zu dem Anwesen (predium emptum), das Heribordo von Wilre und sein Bruder Henrico der Propstei Oberpleis vor 1218 übertragen haben. Das Anwesen zu Wilre lag auf der Hartenberger Seite des Lützbachs und wurde von der Propstei verpachtet.
1315 hatte die Propstei Oberpleis von dem Burggrafen Rutger von Drachenfels dessen Hof zu Weiler erworben. Dieser Hof lag mit seinen Gebäuden und Ländereien nur wenig entfernt auf der Oberpleiser Seite des Lützbachs.
In einer Urkunde vom 11. April 1487 wird die Mühle zu Weiler wieder erwähnt. Durch einen Tausch mit der Propstei Oberpleis war sie von dem Siegburger Schöffen Lambert von Rott erworben worden. Dieser verpachtete die Mühle mit dem Höfgen, das bisher schon der Propstei mit 9 1/2 Schillingen zu Lehen geht, an den Propst Godart von Anstel und seine Nachfolger für 7 Malter Roggen jährlich. Die Propstei erhielt durch den Tausch zehntbare Ländereien zwischen Rott und Buisdorf, den “Weiler Zehent zum vierten Theil” genannt, welcher der Propstei nach dem Lagerbuch von 1650 aber nur noch etwa ein Malter Roggen einbrachte. Die Propstei wollte aber auch an der gepachteten Mühle verdienen. So dürften die Abgaben der Pächter um einiges höher gewesen sein als die 7 Malter Roggen, was vermutlich die nachfolgenden Pächter so belastete, dass das Höfgen verfiel. Die Ländereien blieben im “Weiler Lehen” der Propstei erhalten und wurden einzeln verpachtet (Weiler Lehens-Umgang 1516). Die Mühle kam zum nahegelegenen propsteilichen Weilerhof und wurde vom Pächter und seinen Leuten bedient.
In den wenigen erhaltenen Propsteiakten von 1580 an, wird auch von Reperaturen an der Mühle berichtet. Daniel Kosten, 1585/88 Halfe des Fronhofs und Propsteiverwalter, schreibt in seiner Abrechnung 1588, dass der Halfe Jacob vom Weilerhof den Müllenbach für 9 1/2 Gulden neu ausgeworfen habe.
Der Pastor Joh. Hemmessen schreibt in der Kirchenrechnung 1607: 4 1/2 hundert Fuß Dill (Holzbohlen) sind für die Mühl geschnitten worden, kosten 10 1/2 Mark, ein Zimmermann 2 Dag Holz geschnitten, kostet den Dag 8 Albus, fünf Dag hat er gebraucht, um neue Schaufeln in das alte Rad zu schneiden, für 1 Gulden 16 Albus. Dann musste noch ein neuer eiserner Zappen an das Wellrad, kostet 1 Thaler, und für Nägel wurde noch ein Gulden ausgegeben. In der gleichen Rechnung ist auch noch vermerkt, dass der edlen und tugendsamen Frau von Birlekoven (als Erbin des Ludwig von Rott), wie von alters her die sieben Malter Roggen als Pacht von der Mühle zu Weiler geliefert wurden.
1618 bis 1630 war Joh. Heinrich Scheiffart von Merode Propst zu Oberpleis. Weil die Pastöre von Oberpleis wegen ihres geringen Unterhalts öfter wechselten, erklärte er um 1625 den Weilerhof zum Pfarrhof. Alle Pachteinnahmen aus dem Hof, das waren 20 Malter Getreide, ein Schwein, Hühner, Eier und noch andere bäuerliche Erzeugnisse, sollten in Zukunft den Unterhalt des Pastors von Oberpleis sicherstellen. Die Mühle musste zusätzlich sieben Malter Roggen beisteuern. Dazu kam noch der Stöcker Zehnt mit 5 Malter Roggen. Der Propst traf mit der Abtei in Siegburg die Vereinbarung, dass die Abtei in Zukunft die sieben Malter Roggen an Pacht aus der Mühle zu Weiler an das Haus Birlinghoven liefern musste, damit dem jeweiligen Pastor die Einnahmen aus dem Weilerhof ungeschmälert zufließen konnten.
Bertram von Anß, ab 1641 Probst von Oberpleis, schreibt kurz und knapp im Lagerbuch der Propstei: 1646 hab ich für die Weiler Mühl einen neuen Stein gekauft, 1650 hab ich gedachte Mühl auch reparieren lassen.
1686, den 25. Dezember, starb Johan Halfmann zu Weiler (Grabkreuz). Für seine Nachkommen in Uthweiler wurde sein Beruf zum Familiennamen.
Um 1700 hieß der Halfmann vom Weilerhof Hünescheid. Ein Sohn von ihm, Heinrich Hünescheid, war 1703 auf einem Anwesen im Stieldorfer Uthweiler. Ein anderer Sohn, Piter Hünescheid, blieb Pächter auf dem Weilerhof mit der Mühle. Er war mit Margreda Michels verheiratet (Wegekreuz an der Kannefabrik). Nach seinem Tod, vor 1727, heiratete die Witwe 1728 den Halfmann Friedrich Hoitz vom Fronhof zu Heisterbacherrott. Warum der Sohn Thiel den Weilerhof nicht übernahm, ist nicht überliefert. Er war einige Jahre auf der unterhalb am Lützbach gelegenen Weiler Ölmühle und später auf der Mühle des Schwiegervaters in Scheuren.
Der Weilerhof wurde vor 1730 neu verpachtet und ging an Bernard Weiler, der um 1705 auf dem in der Nähe gelegenen Hasenhof geboren wurde. Er hatte 1730 Margarethe Müller vom Hof zu Ölinghoven geheiratet. Ein Kuriosum ist, dass er in den Kirchenbüchern bei den Taufen seiner Kinder als Bernard Schmitz genannt wird, vermutlich weil die Mutter vom Hasenhof eine geborene Schmitz war. Das hörte erst auf, als Heinrich Bröl, er war von 1696 bis 1742 Pastor in Oberpleis, die Pfarre verließ.
In der zweiten Generation hieß der Halfmann Peter Weiler; er war in zweiter Ehe mit Wilhelmine Dresen vom Kringshof zu Wahlfeld verheiratet. Er starb aber schon mit 37 Jahren. Wegen der vier kleinen Kinder, aber auch um das Pachtgut zu halten, heiratete sie ein halbes Jahr später Jodokus Pütz von einem Hof zu Bülgenauel in der Nähe von Eitorf. Ein Sohn aus dieser Ehe heiratete 1809 eine Tochter des Bürgermeisters Fröhlich; er war Kaufmann und erwarb um 1825 die Oberpleiser Mahlmühle.
Johann Weiler, ein Verwandter vom Hasenhof, heiratete 1812 Eva Pütz vom Weilerhof. Durch die Säkularisation war der Weilerhof mit der Mühle Domänengut geworden. Mit Hoffläche, Äckern, Wiesen, Garten und Büschen war der Hof 116 Morgen groß. Um 1829 wurde er an Wilhelm Klasen, gebürtig aus Rübhausen, verkauft. Die Pacht fiel weg; die bisherigen Zehntabgaben an die Kirche waren durch Grundsteuern an die Zivilgemeinde ersetzt worden. Wegen der Mühle zahlte Klasen im Jahr 1836 auch 6 Thaler Gewerbesteuern. Die Kinder der zweiten Generation haben den Hof nach dem Tod der Eltern geteilt. Der älteste Sohn Wilhelm nahm das Land auf der Hartenberger Seite des Lützbachs mit der Mühle. Vom alten Hof versetzte er eine Scheune neben die Mühle, vermutlich auch das Wohnhaus. Dort betrieb er den Resthof mit der Mühle weiter. Das Land auf der Pleiser Seite des Baches, fast bis zur heutigen evangelischen Kirche, ging an die auswärts wohnenden Geschwister. Es wurde verpachtet und nach dem letzten Krieg als Bauland verkauft. Der alte Hof war untergegangen, heute steht dort ein Kindergarten.
Der Mühlenbetrieb hatte jetzt wegen der kleiner gewordenen Landwirtschaft auf der Hartenberger Seite des Lützbachs als zusätzliche Verdienstmöglichkeit an Bedeutung gewonnen. Er hatte aber auch durch den Umbau der nur wenig unterhalb am gleichen Bach gelegenen Weiler Ölmühle in eine Getreidemühle große Konkurrenz bekommen. Im erhaltenen Mühlenkataster von 1868 steht, dass die (neuere) Röttgens-Mühle zu Weiler doch einiges mehr leistete, als die alte Klasens-Mühle vom früheren Weilerhof.
Heinrich Klasen, Sohn von Wilhelm Klasen und Bruder von zwölf Geschwistern, die vierte Generation Klasen zu Weiler, übernahm das elterliche Anwesen mit der Mühle um 1910. Er mahlte in Weiler noch bis 1932. Er war mehr Müller als Landwirt, zudem handelte er noch mit Getreide. Anscheinend hatte er den Untergang der kleinen Wassermühlen schon früh erkannt, denn als er Anfang der zwanziger Jahre heiratete, baute er neben seinem Wohnhaus in Steinringen ein Gebäude für eine elektrisch betriebene Mahlmühle, die auch Mitte der dreißiger Jahre in Betrieb war. Seine Mutter hatte sich aber für die Mühle in Weiler noch 1928 das Wasserrecht bestätigen lassen. Nach ihrem Tode 1933 wurden Mühle und Landwirtschaft in Weiler aufgegeben. Zudem kaufte die Gemeinde 1934 von Klasen den “Dicht”, ein wüstes Strauchgelände zwischen Lützbach und Mühlengraben. 1935 wurde dort das Schwimmbad gebaut. Klasen war aber so klug, sich das Wasserrecht durch das verkaufte Gebiet zu sichern, man konnte ja nie wissen. 1950 hat Klasen seinen Besitz in Weiler verkauft. Heute ist dort der Campingplatz.
Nach dem letzten Krieg war Klasen Müller und Getreidehändler in Steinringen. Lange Zeit vertrat er die Interessen der „Strüch“ (Thomasberg) im Rat der Gemeinde Oberpleis. Seine Mühle hielt er immer gut in Stand. Als die Siebanlage anfangs der fünfziger Jahre erneuert und modernisiert wurde, und er die Neuerung zeigte, öffnete er den Mehlkasten und ließ das feine, weiße Weizenmehl durch seine Finger rinnen. Er war dann schon stolz, wenn er sagte: “Besser kann es der Wehrhan in Neuß auch nicht.”
Neben dem Mühlenraum gab es ja auch noch die Backstube mit dem Backofen. Als Hobby hat er dort jedes Wochenende für einige seiner Bekannten und Verwandten den Platz (Blatz) gebacken, vorm Krieg, während des Krieges und noch lange Jahre danach. Uns brachte er auch einen für den Sonntagskaffee, wenn er Samstags zum Metzger fuhr oder Sonntags zur Kirche ging. Das geschah Woche für Woche, man konnte sich darauf verlassen.
Heinrich Klasen hatte keinen Nachfolger. Er betrieb die Mühle bis an sein Lebensende. Er war 80 Jahre alt als er 1965 starb.
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