Die Röttgens-Mühle zu Weiler
Angaben über die Anfänge der Röttgens-Mühle finden sich im Lagerbuch der Propstei Oberpleis, welches Propst Bertram von Anß 1641/42 angelegt hat. Bei der Beschreibung einer zehntbaren Wiese wird als ein Grenznachbar die Lohmühle des Jacob von Pleis genannt. Dieser Jacob von Pleis, dessen Nachname nicht bekannt ist, war vermutlich Gerber. In der Lohmühle wurde die Luh / Lohe = Eichenrinde zerkleinert. Rotgerber gebrauchen sie zum Gerben von Tierfellen. Aus dieser Lohmühle dürfte schon vor 1700 die Weiler Ölmühle entstanden sein. Der Unterschied in der Technik beider Mühlen ist auch nicht so groß. Um diese Zeit dürfte auch das heute noch stehende Wohnhaus gebaut worden sein, und weil eine Familie nicht von einer kleinen Ollichsmöll leben kann, kam auch noch notgedrungen eine Landwirtschaft dazu.
Thiel Hünescheid kann man 1727 in der Ölmühle zu Weiler nachweisen. Vermutlich stammte er vom benachbarten Weilerhof, der nach dem Tod des Pächters Piter Hünescheid vor 1727 neu verpachtet wurde. Seine Frau stammte aus Scheuren, vermutlich aus der dortigen Mühle. 1738 übernahm er in Scheuren das Anwesen der Schwiegereltern.
Nach ihm waren Balthasar Bröl aus Buchholz und Gundula Heinen in der Weiler Ölmühle, nach ihnen der Sohn Wilhelm Bröl, der 1770 Maria Cath. Schmitz aus der Nähe von Blankenberg heiratete, der aber schon 1781, noch vor seinem Vater, starb. Ein Jahr später heiratete die Ww. den Wilhelm Klein aus Boseroth. Nach dem Tod seiner Frau 1815 war Wilhelm Klein bis 1828 noch in der Mühle. Allerdings wurde in den Jahren 1804/09 auch Peter Winterscheid als Ölschläger genannt. Zahlreiche Quittungen über Lohn fürs Ölschlagen und auch Abrechnungen über den einbehaltenen Ölkuchen befinden sich in den Kirchenakten.
Nach 1812 war Wilhelm Köchner mit seiner Frau Gertrud Ronden als Pächter zu Weiler. Er stammte aus der Uthweiler Mühle und hatte nach seiner Heirat 1806 eine Mühle in der Nähe von Wiel gepachtet. 1815 stand die Weiler Ölmühle zum Verkauf. Wilhelm Köchner bemühte sich um ein Darlehen. (Aber wo? Bis zur Säkularisation verlieh die Kirche Gelder aus Stiftungen gegen Zinsen und entsprechende Sicherheiten.) Jedenfalls kam ein Schreiben des Präsidenten Förster vom Zentralbüro in Uckerath an den Oberpleiser Bürgermeister Frölich, um “namens einer kompetenten Stelle” Auskunft zu erbitten, ob der Kaufbrief über den Kauf der Ölmühle notariell abgefasst oder privat ohne den gesetzlichen Stempel abgeschlossen wurde, und ob wegen ”Stipulation” der Zinsen das Nötige verabredet wurde. Er wolle aber dem Geschäft nicht im Wege sein, überlasse es aber dem Bürgermeister, ob jetzt schon ein Teil des Darlehns ausgezahlt werden könne, da er wohl besser Redlichkeit und Zuverlässigkeit des Antragstellers kenne. Vom Bürgermeister ging das Schreiben an den Pastor und damit in die Kirchenakten.
Wilhelm Köchner hat das Darlehen wohl bekommen und die Mühle erworben. Er ist 1836 gestorben, gerade 50 Jahre alt. Ob er die Zinsen und die Raten des Darlehens regelmäßig zurückzahlen konnte, darüber lässt sich spekulieren, denn nach seinem Tod ging die Weiler Ölmühle an seinen ältesten Bruder Heinrich Köchner, 70 Jahre alt und in dritter Ehe mit Cath. Schonauer, der Ww. des Oberpleiser Müllers Jacob Röttgen, verheiratet. Er hatte seine Uthweiler Ölmühle seinem Sohn überlassen, und sie brachte ihren Sohn Peter Josef Röttgen mit nach Weiler in die Mühle.
Peter Josef Röttgen baute die Weiler Ölmühle noch vor 1840 in eine Mahlmühle um. Die schon im Jahre 1815 von den Preußen “mitgebrachte” Gewerbefreiheit erlaubte es. Außerdem konnten das Wasserrecht, der Mühlengraben und die Kluhs von der bisherigen Ölmühle übernommen werden. Nun standen auf einer kurzen Entfernung drei Mahlmühlen am Lützbach. Peter Josef Röttgen heiratete 1840 Mar. Catharina Dahm aus Uthweiler. Neben
dem Mahlbetrieb in der neuen Mühle wurde auch eine größere Landwirtschaft auf angepachteten und neu erworbenen Feldern vom untergegangenen Weilerhof betrieben. Durch Peter Josef Röttgens Aktivitäten erhielt die Hofanlage ihr heutiges Aussehen. 1871 protestierte auch er gegen die neu eingeführte Mühlen-Handelsteuer. Vier Jahre vorher waren die Mühlen von dem früheren Müller Frembgen aus Oberdollendorf als Sachverständigen auf ihre Leistung hin abgeschätzt worden. Für die Mühle Weiler II mit einem Mahlgang und einem Schälgang errechnete er einen täglichen Durchgang von 4 Malter, etwa 425 kg Frucht. Anhand der einbehaltenen Molter von 1/16 des Mahlgutes als Mahllohn errechnete er für die Röttgens-Mühle einen Ertrag von 456 Rthl.. Somit war die neuere Röttgens-Mühle ein Drittel leistungsfähiger als die alte Mühle vom Weilerhof des Wilh. Klasen.
Von den neun Kindern übernahm Sohn Christian Röttgen den Hof mit der Mühle. 1885 hatte er Gertrud Bellinghausen aus Bellinghauserhohn geheiratet. Vermutlich war der Betrieb der Mühle schon vor dem ersten Weltkrieg ein Nebenerwerb des Hofes (wegen der großen Konkurrenz). Nach dem landwirtschaftlichen Güterverzeichnis der Rheinprovinz von 1926 wurden vom Hof aus fast 90 Morgen bearbeitet, davon 60 Morgen Ackerland, wovon die Hälfte angepachtet waren. Christian Röttgen ließ sich am 1. April 1928 aber doch noch eine Urkunde zur Sicherstellung des Wassers für seine Mühle ausstellen. Landwirtschaft und Mühle übernahm von den Eltern der Sohn Hermann Röttgen. Seine junge Frau starb 1936 bei der Geburt des ersten Kindes. Den letzten Krieg hat das Anwesen einigermaßen gut überstanden. In Erinnerung ist noch ein Wolkenbruch 1938, als der Lützbach in ein Meter Höhe durch den Hof und die Ställe floss. Nach dem Krieg, als die zerstörten Großmühlen noch nicht wieder aufgebaut waren, kam auch die Weilermühle wieder zur Geltung. Im Herbst und Winter war sie auch Treffpunkt der Bauern zum Austausch von Neuigkeiten. Als es aber allen wieder besser ging, konnten sich die Landwirte auch Kleinmühlen für den Eigenbedarf leisten, und die übrige Getreideernte ging an die Genossenschaften. Röttgens mahlten nur noch für sich selbst, und die Mühle stand oft längere Zeit still. Dann trockneten die alten hölzernen Achsen und Kammräder ein, und es war viel Arbeit erforderlich, bis die Anlage wieder richtig rund lief. Anfang der fünfziger Jahre wurde der Mahlbetrieb eingestellt, und in der vierten Generation unter Heinrich Röttgen wurde nur noch Landwirtschaft betrieben. Röttgens hatten immer ein ansehnliches Pferdegespann, mit dem sie die Feldarbeit betrieben. Als die Dörfer Weiler und Boseroth in den Ort Oberpleis “eingedorft” wurden, ging auch die Feldarbeit zurück. Das meiste Land, das da zwischen den Dörfern lag, wurde Baugebiet. So gingen alle angepachteten Ackerflächen verloren. Anfang der sechziger Jahre wurde auch die Landwirtschaft aufgegeben. Die alten Gebäude stehen aber noch und werden auch erhalten, nur an die Mühle erinnert kein Name und auch kein Stein. Eben darum wurde es auch aufgeschrieben.
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