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Pastor Willi Müller
Vorwort ![]() Kleine Geschichte von Oberpleis wurde es genannt, denn es erhebt keine wissenschaftlichen Ansprüche. Die Arbeit eines Historikers über die mittelalterliche Geschichte liegt uns vor in der eingehenden Abhandlung von Dr. Robert Flink: Die Geschichte von Oberpleis (Siegburg, 1955). Die Darstellung der ersten Jahrhunderte unseres Ortes beruht auf diesem Werk. Leider hat sich noch niemand gefunden, der mit ähnlicher Sorgfalt die Geschichte des 16. bis 18. Jahrhunderts untersuchte; hier dürfte in den Archiven noch manches Interessante zu finden sein. Es sei darum offen gesagt, dass die Schilderung dieser Jahrhunderte mehr oder weniger von Zufallsinformationen abhängig ist. Mehr Material lag dann wieder vor für das 19. und 20. Jahrhundert. Besonders hilfreich war hier die Niederschrift eines Vortrages, den Herr Amtsrentmeister Wilhelm Weber anlässlich der Tausend-Jahr-Feier im Jahre 1948 gehalten hat. Es bleibt zu hoffen, dass irgendwann einmal eine Gesamtdarstellung unserer Heimatgeschichte von berufener Hand geschrieben wird. Bis dahin soll die „Kleine Geschichte von Oberpleis" das Interesse an unserer Vergangenheit wach halten. Sie möge auch verstanden werden als kleines Zeichen des Dankes an alle Oberpleiser, die mich als Pastor aufgenommen und angenommen haben. Januar 1988 Willi Müller Vorgeschichte Noch 1955 gab es keinen Zweifel: Das Pleiser Hügelland ist kein vorgeschichtliches Siedlungsgebiet. Inzwischen ist durch Tonscherbenfunde aus der älteren und jüngeren Eisenzeit erkennbar, dass hier schon vor Jahrtausenden Menschen gelebt haben. Dass es sich nicht nur um durchwandernde Gruppen von Sammlern und Jägern gehandelt hat, sondern um dauerhafte Siedlungen, wird nicht nur durch die Vielzahl der Funde, sondern auch durch die Aufdeckung mehrerer Urnengräber bewiesen. Einige Funde, Feuersteinwerkzeuge und Steinbeile, weisen sogar noch viel weiter zurück in die Steinzeit. Es kann kaum noch ein Zweifel bestehen: im ersten Jahrhundert vor Christi Geburt war unser Land besiedelt. Es ist vielleicht mehr als ein Zufall, dass diese Funde vor allem bei Rübhausen gemacht wurden: in ziemlicher Nahe verläuft die uralte Straße Geistingen - Söven - Westerhausen - Sand - Eudenbach. Straßen bildeten sich in alten Zeiten vor allem auf Höhenrücken, weil man die Sümpfe in den Tälern meiden musste. Vielleicht können wir diese Straße auf dem Riedel, dem Bergrücken zwischen Pleisbach und Hanfbach, sogar als Teil einer alten Nord-Süd-Fernverbindung ansehen. Interessanterweise fehlen in Rübhausen Funde aus dem 1.-5. nachchristlichen Jahrhundert. Wurde die Siedlung zu Beginn dieser Zeit aufgegeben? Nun wissen wir gerade aus dieser Zeit von einer kleinen Völkerwanderung. Nach der Vernichtungsschlacht Caesars gegen die Eburonen im Jahre 53 v. Chr. war das Gebiet zwischen Rhein und Maas menschenleer und verödet. Dadurch war natürlich die Sicherheit der römischen Rheingrenze und die Versorgung der Truppen sehr beeinträchtigt. Der römische Historiker Strabo berichtet aus dem Jahr 38 v. Chr., dass der Feldherr Agrippa den römerfreundlichen Stamm der Ubier nach ihrem eigenen Willen auf das linke Rheinufer herübergeführt habe. Als Hauptort gründete er das oppidum Ubiorum, die Stadt der Ubier, - das heutige Köln. Sollten sich die damaligen Bewohner des Pleiser Hügellandes dieser Wanderung angeschlossen haben? Zwar war die Ursprungsheimat der Ubier etwas weiter südlich: im Neuwieder Becken, an der unteren Lahn und im Taunus. Aber es liegt nahe, dass auch andere rechtsrheinische Germanen den Ubiern folgten: das fruchtbare Land und der Schutz durch die römische Armee lockten zweifellos. Dieser älteste Teil unserer Heimatgeschichte bedarf sicher noch einer wissenschaftlichen Bearbeitung. Vorläufig müssen wir uns mit Fragen und Mutmaßungen zufrieden geben. Die fränkische Siedlung am Pleisbach in den Jahren 800 -1000 Festeren geschichtlichen Boden betreten wir in der Zeit der ersten fränkischen Rodeperiode (500-800): Aus dem Raum Beuel / Hangelar oder wahrscheinlicher noch Hennef / Geistingen wird das Pleiser Hügelland wieder besiedelt. Diese Siedlungen beschränkten sich zunächst auf den niedriger gelegenen Teil um Oberpleis und Stieldorf; der Bereich um Eudenbach, der sogenannte Oberhau, blieb Waldland. Da der Wald nach fränkischem Recht Königsgut war, müssen wir uns als Träger der Rodung eine dem Gaugrafen unterstehende Gruppe von Menschen vorstellen. Zentrum der neuen Siedlung Oberpleis war der Fronhof, der heutige Propsteihof, dessen Entstehung wir um 700 annehmen können. Der Name Pleis konnte bisher noch nicht überzeugend gedeutet werden. Offensichtlich ist der Name des Baches älter als der Ortsname. Oberpleis ist die Siedlung an der oberen Pleis. Die erste erhaltene Urkunde, die Oberpleis betrifft, ist vom 9. November 859: Gerbert und Othilfrid schenken dem Cassiusstift in Bonn für das Seelenheil des Grafen Rembald einen Hof in der Gemarkung Oberpleis (in villa vel marca quae dicitur ad Pleisam superiorem). Dieser Hof ist zweifellos der Bönnschenhof in Wahlfeld, der bis zur Säkularisierung (1803) im Besitz des Bonner Stiftes war. Die Schenkung lässt eine gräfliche Familie als Grundherren in Oberpleis vermuten. Zur marca gehörte alles gerodete Land, das man sich wie eine Insel im Waldgebiet vorstellen muss, aber auch der Wald selbst, dessen Grenzen noch nicht festgelegt waren. Villa bezeichnet den Fronhof, der die Grundherrschaft über das ganze Gebiet besaß. Von besonderer Wichtigkeit für Oberpleis ist eine Urkunde von 948: Erzbischof Wigfrid bestimmt die Grenzen für die Kirche der Heiligen Primus, Felicianus und Lupianus in Oberpleis und legt fest, dass der Zehnt aller neu gerodeten Äcker dieser Kirche gehören soll. Diese Grenzen gelten mit geringen Abweichungen bis zum heutigen Tag als Grenzen der Pfarrei Oberpleis und der erst in neuerer Zeit von ihr abgetrennten Pfarren Eudenbach und Thomasberg. Lediglich das Gebiet der um 1140 begründeten Pfarrei Aegidienberg blieb nicht mit Oberpleis verbunden, da Aegidienberg (Honneferrode) offenbar von Honnef besiedelt wurde. Die Urkunde zeigt, dass die Kirche in Oberpleis schon gewisse Pfarrechte hatte. Sie stand auf dem Fronhof und war eine Eigenkirche der Grundherrn. Die Patrone weisen auf eine Verbindung zu der karolingischen Reichsabtei Prüm; die Oberpleiser Grundherrschaft verfügte offenbar über weitreichende Beziehungen. Die beiden genannten Urkunden liegen uns nur in mittelalterlichen Abschriften vor, jedoch ist ihre Echtheit anzunehmen, weil die spätere geschichtliche Entwicklung bis in Einzelheiten ihrem Inhalt entspricht. Anders verhält es sich mit zwei Urkunden aus den Jahren 944 und 948, über die es lediglich einen Bericht um 1800 gibt. Danach hat Erzbischof Wigfrid aufgrund eines Testamentes seines Onkels Eberhard de Pleisa in Oberpleis ein Kloster zu Ehren der Heiligen Primus, Feliciantis und Pankratius errichtet und mit Mönchen der Abtei Korvey besetzt. Es gibt keine Argumente, die diese Behauptung widerlegen, auch das Patronat des hl. Pankratius passt gut zu Korvey. Andererseits wird diese Klostergründung nirgendwo sonst erwähnt, auch nicht, wie man erwarten dürfte, bei der späteren Gründung der Siegburger Propstei. War das Kloster zu dieser Zeit schon aufgegeben worden oder hat es nie bestanden? Bauernleben im Mittelalter Bei aller Beschäftigung mit alten Urkunden sollten wir die Menschen nicht vergessen, die hier in Oberpleis lebten. Wie sah ihr Alltag aus? Um 1100 stand der Fronhof (Herrenhof, der heutige Propsteihof) eindeutig im Mittelpunkt allen Geschehens. Der Hofherr war im Besitz der Grundherrschaft wie auch der Leibherrschaft. Es ist anzunehmen, dass der Fronhof in Oberpleis durch einen Meier verwaltet wurde. Die Landwirtschaft des Hofes, das sogenannte Salland, wurde von dem leibeigenen Hofgesinde versorgt. Ein Teil des Landes war an ebenfalls noch leibeigene Bauern vergeben, die auf ihren Hufen selbständig wirtschaften konnten; sie waren aber zu mancherlei Abgaben und vor allem zu Fronarbeiten verpflichtet. Diese dürften bis zu zehn Wochen im Jahr in Anspruch genommen haben (Hilfen bei Aussaat und Ernte, Transportdienste, Bau von Zäunen usw.), sicher eine drückende Last für die Hufenbauern. Zwischen diesen beiden Gruppen des Hofgesindes und der Bauern gab es als dritte Gruppe noch die Tagelöhner, die zwar in der Nähe des Fronhofes ihre eigenen Hütten und Gärten hatten, die ihren Lebensunterhalt aber hauptsächlich durch Lohnarbeiten oder Handwerksarbeiten bestreiten mussten. Man betrieb sowohl Ackerbau wie Viehwirtschaft, wobei der Ackerbau sich auf Kosten der Viehhaltung immer weiter ausdehnte. Das führte zu einer zunehmenden Verschlechterung der Böden, da nicht mehr genug Dünger zur Verfügung stand. Die Ernteerträge standen zum Saatgut etwa im Verhältnis 3: l. Es wurde fast nur für den eigenen Verbrauch angebaut; Handel mit landwirtschaftlichen Produkten fand kaum statt. Der Fronhofselbst wird aus einer Ansammlung verschiedener Gebäude bestanden haben: Wohnhaus, Ställe und Scheunen, Nebengebäude wie Backhaus, Kochhaus, Badehaus und nicht zuletzt auch eine bescheidene Kirche. Diese Kirche war zu Anfang eine Eigenkirche; für den Bau und die Erhaltung sowie für den Unterhalt des Priesters sorgte der Hofherr. Der Hof war von einem Zaun umgeben, davor befanden sich ohne erkennbare Ordnung die Hütten der Tagelöhner. Weiter abseits waren die Höfe der Hufenbauern gelegen. Die Häuser waren aus Fachwerk, im Pfostenbau errichtet, d.h. die tragenden Holzteile wurden in die Erde eingegraben. Diese Bauweise war natürlich nicht sehr dauerhaft, da das Holz in der Erde faulte. Etwa alle fünfzig Jahre mussten die Häuser neu erbaut werden, wodurch sich das Ortsbild ständig änderte. Die Bauern bauten ihre Häuser selbst, sicher unter tätiger Mithilfe der Nachbarschaft. Eine wichtige Neuerung war im 12. Jahrhundert der Übergang vom Pfosten- zum Ständerbau: die Holzteile wurden nicht mehr in die Erde gegraben, sondern auf Fundamentsteine und Schwellen gesetzt. Diese Bauweise war allerdings auf das berufliche Können von erfahrenen Handwerkern angewiesen. Dafür erhielten die Häuser aber auch eine viel längere Lebensdauer, außerdem wurden nun größere und mehrstöckige Häuser möglich. Vielfach waren nun Wohnräume, Stall und Scheune unter einem Dach. Das bot mancherlei Vorteile: der Besitz war besser zu beaufsichtigen, die Wege zum Vieh waren kürzer und im Winter weniger beschwerlich, vor allem aber sorgte die Körperwärme der Tiere im Winter für etwas erträglichere Temperaturen. Das Herdfeuer war kaum in der Lage, das Haus ernsthaft zu erwärmen; in kalten Winternächten sank die Temperatur im Haus unter den Gefrierpunkt. Beißender Rauch zog durch das Haus, denn das offene Feuer war ohne Schornstein. Die bäuerlichen Wohnverhältnisse erfuhren eine bedeutsame Verbesserung durch die Erfindung des Heizofens und den Einbau von geheizten, rauchfreien Stuben. Der aus Lehm und Stein gemauerte Ofen wurde durchweg so aufgestellt, dass er mit seinem Mundloch in den Herdraum, mit seinem Gewölbe aber in den Stubenraum hineinragte. Hauptnahrungsmittel der Landbevölkerung war der Brei, der aus geriebenen Hirse- oder Haferkörnern mit Wasser oder Milch unter Zugabe von Salz zubereitet und in einem Topf gekocht wurde. Wenn man einen Fladen solchen Getreidebreies noch zusätzlich röstete, entstand das Fladenbrot. Brot im eigentlichen Sinne, bei dem man dem angerührten Teig Hefe oder Sauerteig zusetzte, war ein wichtiger Fortschritt und galt zunächst als Herrenspeise. Auf dem Speiseplan standen weiter Gemüse, Hülsenfrüchte und Obst aus den Hausgärten. Fleisch spielte auch im bäuerlichen Haushalt des Mittelalters noch eine beachtliche Rolle, wenngleich die Viehwirtschaft gegenüber früheren Jahrhunderten erheblich zurückgegangen war. Schließlich müssen auch Milch sowie Butter und Käse als Nahrungsmittel erwähnt werden. Die Gewinnung von Neuland durch Rodung war um 1100 an ihre Grenzen gekommen. Um die stark wachsende Bevölkerung ernähren zu können, mussten neue Methoden des Ackerbaus gefunden werden. In der alten Feldgraswirtschaft ließ man den Acker nach dem Getreideanbau ein oder mehrere Jahre zur Erholung brach liegen; er diente dann als Viehweide. Nun aber ging man allenthalben zur Dreifelderwirtschaft über, d.h. in drei Jahren folgten aufeinander Sommergetreide (Roggen und Weizen), Wintergetreide (Hafer und Gerste) und Brache. Entsprechend waren die Felder in drei Gewanne eingeteilt. Durch diese Anbauform konnten die Erträge erheblich, um bis zu 50 Prozent gesteigert werden, auch verteilte sich die Arbeit besser über das Jahr. Auch auf agrartechnischem Gebiet gab es eine wichtige Neuerung: die alten Hakenpflüge, die den Boden nur aufritzten, wurden ersetzt durch Beetpflüge, die die Scholle umwenden. Man brauchte jetzt nicht mehr kreuz und quer zu pflügen, die Arbeit war erheblich leichter geworden. Als Zugtiere wurden neben den Ochsen nun auch die viel ausdauernden und schnelleren Pferde verwandt, allerdings konnten sich das nur reichere Bauern leisten, Ochsen sind nicht nur genügsamer, sondern können auch noch als Schlachtvieh verwertet werden. Zumindest die größeren Höfe waren nun in der Lage, Überschüsse zu produzieren und zu verkaufen, Getreide, das in den wachsenden Städten dringend gebraucht wurde. Mit dem Erlös konnte vielfach die lästige Pflicht zu Hand- und Spanndiensten durch regelmäßige oder auch einmalige Geldzahlungen an den Grundherrn abgelöst werden. Dies wurde auch von den Herren begrüßt, denn die Fronarbeiter werden ihre Arbeit kaum mit großem Eifer verrichtet haben, während ihre eigenen Felder warten mussten. In der Folge führte das zumeist zur Verkleinerung oder gar Aufgabe der herrschaftlichen Eigenwirtschaft. Eine Verkleinerung ist wohl auch für Oberpleis anzunehmen, denn zu Ende des Mittelalters war der Propsteihof kaum größer als die umliegenden Höfe. Auf dem ehemaligen Salland entstanden neue Bauernstellen. Bemerkenswert ist die Bevölkerungsentwicklung im 11. - 13. Jahrhundert: die Zahl der Menschen in Mittel- und Westeuropa verdreifachte sich! Zu Beginn des 14. Jahrhunderts hatte Deutschland so viele Orte wie nie zuvor und nie nachher. Natürlich waren viele Ortschaften nur klein, aber es ist auch an das starke Wachstum der Städte zu denken. Trotz der Fortschritte in der Landwirtschaft kam es zu Krisenerscheinungen: die Böden waren erschöpft, Hungersnöte wurden immer häufiger. In den Jahren von 1315 bis 1317 erlebten viele Teile Europas eine Hungerkatastrophe: die Preise für Getreide stiegen ins Unermessliche, die Menschen starben an Entkräftung, Krankheiten und Unterernährung. Noch schlimmere Folgen hatte dann die Pest: in den Jahren 1347 bis 1351 fiel ihr ein Viertel aller Menschen zum Opfer. Weitere Wellen der Seuche folgten. Durch diesen gewaltigen Rückgang der Bevölkerung sanken die Lebensmittelpreise und stiegen infolge des Arbeitskräftemangels die Löhne; besonders die größeren Höfe, die auf Lohnarbeiter angewiesen waren, gerieten in große Not. (Vermutlich muss die Verminderung der Zahl der Mönche und schließlich die Aufgabe des Klosterlebens in Oberpleis auch in diesem Zusammenhang gesehen werden). Aber nun sind wir der chronologischen Ordnung weit vorausgeeilt. Kehren wir also noch einmal in das 11. Jahrhundert zurück! Im Spannungsfeld der Kräfte Bevor wir uns dem weiteren Geschehen in Oberpleis zuwenden, sollten die mittelalterlichen Herrschaftsverhältnisse in unserer Heimat kurz dargestellt werden. Die Grundlage der politischen Organisation unter Karl dem Großen war die alte Einteilung in Gaue. An ihrer Spitze stand jeweils ein Graf, der von Karl frei eingesetzt, versetzt und auch abgesetzt wurde. Mit der Schwächung der Zentralgewalt unter den Nachfolgern Karls aber wuchs die Machtstellung der Grafen, die schließlich ihr Amt vererbten und über den ehemals königlichen Besitz frei verfügten. Unsere Heimat gehörte zum Auelgau, der vom Rhein im Westen bis zur Grenze Westfalens im Osten und von Niederkassel bis Overath im Norden, bis Erpel und Altenkirchen im Süden reichte. Der alte Gau hat in der kirchlichen Dekanatsordnung, in der sogenannten Christianität Siegburg, bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts weiterbestanden. Der Sitz des Gaugrafen war vermutlich die Burg auf dem (später so genannten) Michaelsberg in Siegburg. Das gräfliche Geschlecht der Ezzonen hatte zu Anfang des 11. Jahrhunderts die Grafschaft im Bonn-, Eifel-, Zülpich- und Auelgau an sich bringen können. Die Pfalzgrafschaft mit dem Mittelpunkt der Pfalz in Aachen verlieh ihnen eine große Machtstellung. Mit dem Königshaus der Ottonen war sie verwandtschaftlich verbunden. Von der Tomburg (bei Rheinbach) aus kontrollierten sie die alte Krönungsstraße Frankfurt-Aachen, von Siegburg aus die Straße Köln-Frankfurt. Mit dem Regierungsantritt Heinrich II. (1002) gerieten sie in Konflikt mit dem Herrscherhaus. Auch die Kölner Erzbischöfe suchten ihre Macht zu beschränken. Unter Erzbischof Hermann VI., der selbst aus der pfalzgräflichen Familie stammte, kamen wichtige linksrheinische Besitzungen an das Erzstift. Unter Anno II (1056 - 1075) entbrannte ein offener Krieg, der mit der Niederlage des Pfalzgrafen endete. Die Pfalzgrafen zogen sich in südliche Besitzungen zurück, die spätere Kurpfalz. Damit ist die zweite politische Kraft genannt, das Erzstift Köln. Auch die Erzbischöfe suchten ihr Gebiet zu erweitern und zu sichern. Auf dem rechten Rheinufer gehörten ihnen einige Rheinorte, darunter auch Königswinter. Der erzbischöfliche Amtmann saß auf der Wolkenburg. Im kirchlichen Bereich allerdings hatten in unserem Gebiet die Archidiakone von Bonn wichtige Rechte. Das sollte später zu mancherlei Auseinandersetzungen zwischen dem Archidiakon und dem Siegburger Abt führen. Eine dritte Macht in unserem Gebiet waren die Grafen von Sayn. Von ihrem Stammland im Westerwald suchten sie ihr Gebiet nach Norden auszudehnen. Nach der Niederlage des Pfalzgrafen Heinrich (des „Wütenden") erhoben sie Erbansprüche. In unserer näheren Heimat gehörten ihnen die Herrschaften Löwenburg und Blankenberg, dazu weite Gebiete an der mittleren Sieg. Die vierte und letztlich siegreiche Kraft waren schließlich die Grafen von Berg, die von Norden her in unser Land vordrangen. Geistliche Herrschaften bedurften nach dem Recht eines Vogtes. Durch die Vogtei über Siegburg (und Oberpleis) konnten die bergischen Grafen in unserem Gebiet Fuß fassen und schließlich nach langen Auseinandersetzungen sowohl die Grafen von Sayn zurückdrängen wie auch die geistlichen Herrschaftsrechte an sich bringen. Gründung und Blütezeit der Propstei in den Jahren 1000 bis 1250 Nach seiner Niederlage gegen Erzbischof Anno II im Jahre 1059 sah sich Pfalzgraf Heinrich gezwungen, dem Sieger die Burg auf dem Siegberg und mit ihr weitere Besitztümer zu „übergeben". Anno stiftete auf dem Berg ein Kloster zu Ehren des Hl. Erzengels Michael. Die Gründermönche aus St. Maximin in Trier ersetzte Anno schon nach wenigen Jahren durch Mönche der Reformabtei Fruttuaria in Piemont. Die neue Abtei entwickelte sich schon bald zu einer Blütestätte geistlichen und geistigen Lebens; bis zum Jahr 1121 war die Zahl der Mönche auf 120 angewachsen. Unter den Gütern der neuen Abtei werden in der Stiftungsurkunde auch die Orte Oberpleis und Berghausen genannt (Bleisa superior und Berengershuson). Offenbar hatte also auch hier der Pfalzgraf seine Rechte an Anno abtreten müssen. Zur Verwaltung der weitverstreuten Besitzungen errichtete die Abtei Siegburg eine Reihe von Propsteien (Remagen 1110, Hirzenach 1114, Rolandswerth 1122, Zülpich 1121/24). Das Gründungsdatum der Propstei Oberpleis ist nicht bekannt; da Oberpleis immer als erste der Siegburger Propsteien genannt wird, darf man annehmen, dass diese Propstei vor den oben genannten entstanden ist. Zum ersten Mal wird in einer Urkunde von 1121 ein Propst von Oberpleis erwähnt. Mit dem Besitz des Fronhofes, der bald Propsteihof genannt wurde, waren die Pröpste nunmehr für siebenhundert Jahre die Herren unserer Heimat. Welche Bedeutung die Propstei St. Pankratius in Oberpleis hatte, zeigt die eindrucksvolle Kirchen- und Klosteranlage. Die Kirche, klar gegliedert in Laienraum, Mönchsraum und Altarraum, ist wohl schon kurz nach 1100 errichtet. Mit einer Flachdecke versehen, zeigte sie zunächst den strengen Geist salischer Baukunst. Die Krypta, die durch zwei Treppen für Prozessionen erschlossen ist, enthielt vermutlich das Dreikönigsrelief und war somit eine Stätte der Marienverehrung. Der Turm, den wir auch als ein Herrschaftssymbol der Pröpste begreifen sollten, und die rechtwinklig um einen Kreuzhof erbauten Klostergebäude dürften um 1150 entstanden sein; hier erschienen schon früh - staufische Bauformen. Aus der Größe der Klosteranlage, aber auch aus einigen alten Urkunden können wir schließen, dass die Klostergemeinschaft zunächst etwa zwölf Mönche zählte. Diese Zahl ging aber schon nach 1250 zurück auf etwa fünf bis sieben; nach 1450 scheint nur noch ein Propst in Oberpleis gewohnt zu haben. Einen wichtigen Markstein in der Geschichte von Oberpleis bildete das Jahr 1182. Nach einem Streit zwischen der Abtei und den Grafen von Sayn, die als Erben der Pfalzgrafen immer noch gewisse gräfliche Rechte innehatten, kam es durch Vermittlung des Erzbischofs Philipp von Heinsberg zu einem Vergleich. Die Sayner mussten anerkennen, dass die Äbte in Siegburg und auch (ausdrücklich erwähnt) in Oberpleis die Hochgerichtsbarkeit innehatten; sie waren somit zu eigentlichen Landesherren geworden. In Oberpleis wurde die Hochgerichtsbarkeit durch die Vögte, die Grafen von Berg und ihre Untervögte von Windeck, im Namen des Propstes ausgeübt, die Propstei besaß also ihre eigene Landesherrlichkeit. Im Streit um den Königsthron zwischen Philipp von Schwaben und Otto IV (1198/99), der im ganzen Rheinland Verwüstungen anrichtete, hatte auch die Propstei Oberpleis Schäden erlitten. Erzbischof Bruno IV gestattete deshalb im Jahre 1206, dass die Einkünfte der Pfarrkirche in Oberpleis fortan den Mönchen zufließen sollten, die auch die Seelsorge ausübten. Die Pfarrei wurde also Eigenbesitz der Propstei („inkorporiert"). Noch im gleichen Jahr 1206 bestätigte Papst Innozenz III. diese Anordnung, die bis zur Säkularisierung (1803) gültig bleiben sollte. Über die alte Pfarrkirche zu den Heiligen Primus, Felicianus und Lupianus ist leider nur wenig bekannt: sie war rund 32 Meter lang und stand auf dem heutigen Kirchenvorplatz, etwa im Bereich des Gefallenen-Ehrenmals. Die ursprünglichen Patrone gerieten im weiteren Verlauf der Jahrhunderte in Vergessenheit und wurden schließlich durch Pankratius, den Patron der Propstei, ersetzt. Gerhard, der erste namentlich bekannte Propst, erlebte zu Anfang des 13. Jahrhunderts die Propstei anscheinend auf dem Höhepunkt ihrer Geschichte: sie war wirtschaftlich gesund, politisch und kirchlich unabhängig, das geistliche Leben blühte. Propst Gerhard war sicher ein bedeutender Mann: Erzbischof Engelbert I. von Berg war bei ihm zu Gast; auch mit Cäsarius von Heisterbach stand er in Beziehung. Vermutlich hat er auch den Wiederaufbau von Kirche und Kloster nach den Schäden im Thronstreit betrieben. War die erste Kirche ein salisch-ernster Bau, so entstand jetzt ein weltaufgeschlossenes festliches Bauwerk im Stil der rheinischen Spätromanik. Vierung und Altarraum wurden völlig neugestaltet, das Langschiff erhöht und eingewölbt, der Turm erhielt ein weiteres Stockwerk. Ein monumentaler Vierungsturm war zumindest geplant. Auch der Tonfliesenboden mit seiner bedeutsamen Kosmosdarstellung stammt aus dieser Zeit (1220-1250). Der Niedergang der Propstei in den Jahren 1250 bis 1500 Aus dem Jahr 1256 erfahren wir, dass Abt Godfrid der Propstei zur Abdeckung von Schulden 130 „Mark" ausleihen muss, eine für die damalige Zeit außerordentlich hohe Summe. (Als Zins musste Oberpleis jährlich 6 Fuder Wein, 10 Malter Weizen und 10 Malter Roggen liefern). Was war geschehen, dass die Propstei in derartig hohe Schulden geraten war? Hatte man sich beim Wiederaufbau übernommen? Auf jeden Fall stand es mit der Wirtschaftsführung der Propstei trotz der immer noch beträchtlichen Einkünfte durchaus nicht zum Besten. Natürlich blieb der Propsteihof selbst fest in der Hand des Propstes, aber es scheint, dass die umliegenden Höfe sich mehr und mehr von der Propstei lösen konnten. Von der besonderen Stellung des Bönnschenhofes war bereits die Rede; 1306 verkaufte Ritter Heinrich de Wynteren den Hasenhof (Hasenboseroth) an das Kloster St. Katharinen in Linz. Die Abtei Heisterbach erwarb 1314 den Hof Kippenhohn von Ritter Lambert von Honnef und 1432 den Bellinghauser Hof von Ritter Heinrich von Rummelsberg. Der Nonnenhof ging 1327 an das Damenstift in Villich. Alle diese Höfe blieben allerdings der Propstei lehnspflichtig. Andererseits konnte die Propstei selbst 1315 den Weilerhof (wieder?) erwerben; er blieb bis 1803 in ihrem Besitz. Aus dem 14. Jahrhundert stammen die beiden Glocken im Dachreiter der Propsteikirche und im heutigen Gefallenen-Ehrenmal. Sie sind gegossen durch Johannes de Trajecto (= von Utrecht), der 1333 und 1337 als Glockengießer, vermutlich in Köln bezeugt ist. Bemerkenswert ist die Inschrift auf der größeren Glocke: Sum villanorum saltem sed non monachorum. (Ich gehöre den Dorfleuten, nicht den Mönchen.) Man sal mich ludin zu Sturme. O rex gloriae Christe, veni cum pace (König der Herrlichkeit, Christus, komm mit Frieden!) - Das Vesperbild (Maria mit dem toten Jesus) wurde vermutlich im 15. Jahrhundert geschaffen. Etwa seit der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert nahm Siegburg nur noch Angehörige des Adels in das Kloster auf. Es ist zu befürchten, dass der innere Niedergang mit dieser Abkehr vom früheren Geist eingeleitet wurde: die Herren wollten auch im Kloster nicht auf die gewohnte Lebensführung verzichten. Der erste sicher adelige Propst von Oberpleis war Adolf von Veyrtoop. Wie schlimm es um das klösterliche Leben bald stand, zeigt eine Weisung des Abtes Wolfhard an Propst und Mönche in Oberpleis aus dem Jahr 1329: Niemand darf das Mönchsgewand ablegen und ohne Erlaubnis in die Städte, Dörfer und Höfe gehen. Die Mönche haben allen Privatbesitz abzugeben. Die Mahlzeiten müssen gemeinsam im Refektorium eingenommen werden, alle Zimmer und Häuser sind aufzugeben. Viel gefruchtet haben diese Mahnungen offenbar nicht; im 15. Jahrhundert findet sich nur noch der Propst in Oberpleis, das klösterliche Leben ist erloschen. Mit dem inneren Verfall der Abtei Siegburg und ihrer Propstei Oberpleis ging auch der äußere Einfluss mehr und mehr verloren. Die Grafen von Berg, 1380 in den Herzogstand erhoben, bauten ihre Schutzvogtei in zähem Ringen zur Landesherrschaft aus. 1363 erwarb Graf Wilhelm von Berg das Land Blankenberg, 1484 wurde das Amt Löwenburg ebenfalls bergisch. Die kleine Propstei Oberpleis war als Landesherrschaft zwischen diesen bergischen Gebietsteilen nicht mehr zu halten. Ein Weistum des Schlosses Windeck von 1449 weist den Propst von Oberpleis noch als Landesherren aus, auch wenn der Vogt sich schon wenigstens wie ein Gleichberechtigter gibt. Spätestens um 1500 ist das Schicksal der Herrlichkeit Oberpleis besiegelt: Oberpleis ist bergisch und gehört zum Amt Blankenberg. Unter bergischer Herrschaft in den Jahren 1500 bis 1800 Das 16. Jahrhundert begann mit einer bösen Überraschung: das linke (nördliche) Seitenschiff der Propsteikirche wurde wegen des schlechten Baugrundes baufällig; vielleicht stürzte es sogar ein. Es wurde in spätgotischen Formen erneuert; das nördliche Querhaus stützte man durch einen mächtigen Strebepfeiler. Die neuen Herrschaftsverhältnisse zeigten sich darin, dass in Oberpleis schon 1535 ein Amtsknecht, also ein herzoglicher Beamter seinen Sitz hatte. Die Hochgerichtsbarkeit übte der Herzog nicht mehr in Oberpleis, sondern in Geistingen aus, das zweifellos günstiger gelegen war. Vielleicht war diese Verlegung auch eine Rücksicht auf den Propst, den früheren Gerichtsherrn. Wenn auch der Propst nicht mehr Landesherr war, so galt er doch sicher noch als der weitaus Erste im Kirchspiel; man achtete seine Stellung als Propst, seine adelige Herkunft und sein Amt als eigentlicher Pastor. Manche Pröpste übten die Seelsorge selbst aus, andere ließen sich durch einen Vice-Kuraten vertreten. Auch war der Propst von Oberpleis kein armer Mann: Sein Einkommen wurde 1557 und 1587 auf 1478 Gulden veranschlagt. Die Propstei von Oberpleis war zweifellos eine begehrte Pfründe. Im Ansehen der Gemeinde folgten den Pröpsten die Herren auf Haus Niederbach. Am 12. Oktober 1636 erwarb Wilhelm von Hillesheim den Rittersitz. Die Angehörigen dieser Adelsfamilie besaßen im 17. und 18. Jahrhundert eine Reihe bedeutender Ämter. Die Gräber der Grafen von Hillesheim waren im Chorraum der alten Pfarrkirche. Die letzte der Familie, die Vilichcr Stiftsdame Charlotte von Hillesheim übertrug 1807 ihr Vermögen an ihren Großneffen Franz Graf von Spee. Im Besitz dieser Familie ist das Haus auch heute noch. - Ein weiterer Rittersitz war Haus Elsfeld. Als unterste Selbstverwaltungseinheit der Gemeinde hatten sich seit unvordenklicher Zeit die Honschaften erhalten. Oberpleis selbst hieß die alte Honschaft, offensichtlich eine Erinnerung daran, dass die Besiedlung des Landes von hier ausgegangen war. Weiter gab es die Honschaften Wahlfeld (einschließlich Uthweiler), Hasenpohl (das westliche Gemeindegebiet mit dem heutigen Thomasberg), Berghausen und Oberhau (Eudcnbach). Zeitweilig wird auch eine sechste Honschaft Gratzf'eld genannt. Die Honschaften leben bis auf den heutigen Tag als Katastereinheiten (Gemarkungen). Im Jahre 1615 plünderten spanische Truppen im jülich-klevischen Erbfolgekrieg die Propstei Oberpleis. Der dreißigjährige Krieg (1618-1648) brachte auch für Oberpleis schwere Zeiten. Nachdem schon 1622 beim Kampf um die „Pfaffenmütze", einer starken Befestigung auf einer Rheininsel an der Siegmündung, plündernde Soldaten das Land unsicher gemacht hatten, wurde die Propstei 1632 noch einmal durch die schwedischen Truppen unter General Baudissin geplündert. Dabei wurden auch die Gebäude beschädigt; darauf ließ der tatkräftige Propst Bertram von Ans die Klostertrakte bis auf den Westflügel niederlegen und 1645 durch ein neues Wohngebäude ersetzen. Die Kirche wurde mit einer Barockausstattung versehen. Propst Johann Adolph Walbott von Bassenheim ließ 1698 das schöne Fachwerkhaus (Siegburger Straße 9-11) als Pastorat errichten. Im spanischen Erbfolgekrieg versuchte er 1703 vergebens, die Propstei gegen die Franzosen zu verteidigen; er starb bald darauf als Gefangener in Bonn. Sein Nachfolger Johann Bertram von Nesselrode ließ 1718 vom Kreuzhof her einen neuen Zugang zur Kryta anlegen, die nun als Keller genutzt wurde. Wahrscheinlich wurden bei dieser Gelegenheit die beiden Zugänge aus den Seitenschiffen zugemauert und der Fußboden der Kirche um etwa 80 cm erhöht. Man täte den Pröpsten des 17. und 18. Jahrhunderts Unrecht, wollte man sie nur als Vermögensverwalter sehen: sie sorgten sicher auch für das geistliche Leben der Gemeinde. Es entstanden die Bruderschaft von Jesus, Maria und Josef (die „Christenlehrbruderschaft"), gegründet von Erzbischof Max Heinrich (1650 - 1687), und die Michaelsbruderschaft, gegründet von Erzbischof Joseph Clemens (1688 - 1723). Propst Walbott von Bassenheim (1674-1703) führte die alte Dreifaltigkeitsbruderschaft in Obcrpleis ein und legte ihre Förderung dem neuen Pastor (Vice-Kuraten) Heinrich Broell besonders ans Herz. Die Bruderschaften bestanden bis weit in das 19. Jahrhundert hinein. -1734 wurde eine Kapelle in Quirrenbach errichtet. - Auch die verschiedenen Barockfiguren sind in dieser Zeit in die Propsteikirche gekommen. Über das Schulwesen, das sich im 18. Jahrhundert entwickelt haben müsste, besitzen wir leider nur Andeutungen. Es ist wohl nicht ganz richtig, wenn Johann Wilhelm Stricker, der von 1805 bis 1813 Schulvikar in Oberpleis war, auf seinem Grabstein als Gründer der Schule bezeichnet wird. Schon vorher ist von einem Pater Constantinus als Schulmeister die Rede, auch besitzen wir noch ein Rechenbuch eines Offermanns und Magisters Wilhelm Stricker aus dem Jahr 1752. Ferner ist bedenkenswert, dass in Oberdollendorf bereits 1647 ein Schulmeister genannt wird und dass es dort schon 1712 regelmäßigen Schulunterricht gab. Schließlich muss auch auffallen, dass im 18. Jahrhundert mehrere Bauern schriftliche Aufzeichnungen führen konnten. Schon um 1768 fertigte der Bauer Johann Adolph Stricker aus Boseroth (der Vater des späteren Schulvikars und Pastors) eine fehlerfreie Abschrift eines lateinischen Graduale. Es ist anzunehmen, dass die Pröpste sich zumindest um die Schulbildung begabter Jungen kümmerten, wie das auch in anderen geistlichen Institutionen üblich war. Säkularisation und Franzosenzeit in den Jahren 1789 bis 1815 Der Ausbruch der Französischen Revolution war auch für unsere Heimat das Signal für das Ende der alten Zeit. Im Jahr 1794 besetzten die französischen Revolutionstruppen das linke Rheinufer; Bonn fiel am 8. Oktober 1794. Im folgenden Jahr 1795 setzten die Franzosen über den Rhein, auch Oberpleis wurde geplündert. Sechs Jahre wurde das Land zum Kriegsgebiet, die Menschen litten unter den Einfällen der Revolutionssoldaten ebenso wie unter den ständigen Einquartierungen und Requisitionen durch die Reichstruppen. In einem zeitgenössischen Bericht des Bauern Heinrich Bellinghausen aus Theishohn bei Hennef ist zu lesen: „Das Jahr 1795 sind die Franzosen über den reihn gekommen. Da mahl haben wir anspannen müssen mit denen K.u. K. (Österreicher), und meinen Knecht ist 3 Dag dabey gebliebcn und halt doch Pferd und Kahr hinter müssen lassen. Und das Lager hatte zu Weschpohl auf der Heiten gestauten 2 Däg. Und den 30. Oktober sind die Franzosen wieter gekommen. Da mahl haben wir mit unseren Kinteren mit großem Schrecken im Busch gewesen; dann die Franzosen feuerten auf die Mienschen wie man auf einen Raubvogel pflegt zu feuern. Unseres Leinewand und hausgereiht in Fässer in das Feld vergraben gehabt. Und den 11. November sind die Franzosen wieter kommen. Da mahl habe ich miene Frau mit den Kinteren verflaucht nach Bellinghuses hohn und ich sint mit meinem Knecht und Magt 8 Dag allein zu Brochhausen geblieben und Mann vor Mann mösste Haultz reitten vor der K.u.K. armey. Und die 8 Dag detten sie nicht mehr als mit Canonen canoniercn. Und den gantzen winter haben wir schwere Einquatierung gehabt von denen K.u.K. armey." Im Frieden von Luneville (9. Februar 1801) musste das linke Rheinufer an Frankreich abgetreten werden. Damit verloren die Abtei Siegburg und die Propstei Oberpleis ihre linksrheinischen Besitzungen, die wirtschaftliche Lage war jetzt hoffnungslos. Im „Reichdeputationshauptschluss" (25. Januar 1803) wurden die deutschen Fürsten für die verloren gegangenen linksrheinischen Gebiete dadurch entschädigt, dass ihnen alle geistlichen Territorien und aller Klosterbesitz übereignet wurden. Die bergische Regierung beeilte sich, noch im gleichen Jahr (12. September 1803) die Klöster aufzuheben. Mit der Auflösung der Propstei wurde der Siegburger Prior Alexander von Neumüller beauftragt, der sich dabei um Oberpleis sehr verdient machte. Am 25. Februar 1804 fand vor dem Landdinger von Blankenberg, Legrand, in Oberpleis eine Gemeindeversammlung statt, auf der die Oberpleiser den Wunsch äußerten, dass der Kurfürst ihnen die durch die Säkularisierung in seinen Besitz übergegangene Propsteikirche, die gerade groß genug sei, überlassen werde, „weil die alte Kirche durchaus irreparabel wäre." Andernfalls müsse eine neue, größere Pfarrkirche als die bisherige erbaut werden. „Die unteren Mauren (der Pfarrkirche) seyen aber noch in ziemlich gutem Stande, und der daran gebaute abhang (Seitenschiff) noch ein ganz festes gebäude, sie fänden es daher für dienlich, dass diese kirche zu einem Schulhause eingerichtet und darinn zugleich eine Gemeinheits Stube angebragt werde." Am 9. April 1805 genehmigte die kurfürstliche (bergische) Regierung den Kirchentausch. Die alte Pfarrkirche wurde für 300 Reichstaler zur Erbauung eines Schulhauses an die Gemeinde verkauft und bald darauf abgebrochen. So waren eigentlich alle zufrieden: der kostbaren Propsteikirche blieb das Schicksal von Heisterbach und vieler anderer Klosterkirchen erspart; die Pfarrgemeinde hatte eine gute Pfarrkirche, die Zivilgemeinde den Bauplatz und das Baumaterial für eine Schule; die Landesregierung brauchte nicht auf Grund ihrer Patronatspflichten eine neue Kirche zu bauen. Der Propsteihof fiel an den Staat, der ihn an einen Privatmann verkaufte; die Klostergebäude blieben staatlich, jedoch wurden Pfarrer und Vikar dort ein Wohnrecht zuerkannt. Am 26. März 1806 wurde Joachim Murat, ein Schwager Napoleons, Großherzog des neugeschaffenen „Großherzogtums Berg" offensichtlich ein Satellitenstaat, der aus dem Herzogtum Berg, dem rechtsrheinischen Teil des preußischen Kleve und mehreren kleineren Territorien gebildet war. An das Großherzogtum fiel auch Königswinter, das als kurkölnischer Besitz zunächst zu Nassau-Usingen gekommen war. Murat gab 1808 die Herrschaft an Napoleon zurück, der sie 1809 seinem vierjährigen Neffen Louis Napoleon weitergab, selbst aber die vormundschaftliche Regierung behielt. Damit war unsere engere Heimat praktisch in französischen Händen. In manchen größeren Pfarrorten hatte sich das Bedürfnis gezeigt, dass außer dem vom Pfarrer zelebrierten Hochamt noch eine zweite Messe sonntags als Frühmesse gelesen wurde. Vielfach wurden in diesem Sinne Stiftungen gemacht. Doch reichten die Messe-Stiftungen in der Regel für die Besoldung eines Geistlichen nicht. Deshalb übertrug man dem „Frühmesser" gleichzeitig die Schule mit ihren Einkünften. Im Jahr 1804 wurde durch die Bergische Regierung in Düsseldorf das Primissariat (Frühmesser-Amt) offiziell mit der Schullehrerstelle verbunden und das Geld für die Besoldung des Lehrers bereitgestellt. Die Geldmittel stammten aus dem Bergischen Schulfonds, den man durch Einziehung von Kloster- und Kirchengütern gewonnen hatte. Am 21. September 1805 kehrte Johann Wilhelm Stricker als Schulvikar und Frühmesser nach Oberpleis zurück. Damit dürfte auch der Schulunterricht in unserer Gemeinde wieder feste Formen erhalten haben. Als Schullokal wird ein Saal in der Vikarie des ehemaligen Propsteigebäudes genannt; ein Versuch, in der alten Pfarrkirche zu unterrichten, dürfte wegen deren Baufälligkeit gescheitert sein. In den Jahren 1806 - 1811 erlebte das Großherzogtum tiefgreifende Staats- und Verwaltungsreformen nach französischem Vorbild. Schon 1806 wurde die allgemeine Wehrpflicht eingeführt. Das Großherzogtum Berg hatte für die Kriege Napoleons jährlich 5000 Mann zu stellen. Davon waren sicher auch junge Männer aus unserer Heimat betroffen. Bergische Soldaten kämpften gegen die Preußen und in Spanien. Von den 500 Bergischen Soldaten, die mit Napoleon nach Russland zogen, sind nur etwa 190 Mann zurückgekehrt. Bei einer weiteren Aushebung im Januar 1813 kam es zu offenem Widerstand. Zwar wurde dieser niedergeschlagen, aber die Bergischen Regimenter galten nun als unzuverlässig und wurden in den weiteren Kämpfen gegen die Verbündeten (Russland, Preußen und Österreich) kaum noch eingesetzt. Am 12. Februar 1808 wurde im Großherzogtum die Leibeigenschaft abgeschafft. Am 1. Januar 1810 wurde als neue Währung der französische Franken eingeführt; ferner wurde das Steuerwesen neu geordnet. Am gleichen Tag trat als neues Gesetzbuch der Code Napoleon in Kraft. Der Plan einer Neuumschreibung der Pfarreien nach französischem Vorbild kam dagegen nicht mehr zur Ausführung. Das Russlandabenteuer Napoleons wurde zum Beginn der großen politischen Wende. Die Völkerschlacht bei Leipzig (16. - 19. Oktober 1813) besiegelte seinen Untergang. Schon am 14. Januar 1814 mussten die Franzosen Köln und die Rheinlinie räumen. Die Ernennung von Johann Wilhelm Stricker zum Pfarrer von Oberpleis am 13. Oktober 1813 dürfte eine der letzten Amtshandlungen Napoleons in Deutschland gewesen sein. Da das alte Vorschlagsrecht von der Propstei auf die Regierung des Großherzogtums Berg übergegangen war, war die Ernennung durch Napoleon rechtens. Am 23. November 1813 erfolgte dann auch die Ernennung durch den Verwalter des Bistums, Kapitelsvikar von Kaspars in Deutz. Preußische Ordnung in den Jahren 1815 bis 1914 Durch den Wiener Kongress wurde 1815 das ehemalige Herzogtum Berg dem Königreich Preußen zugeschlagen. Im kommunalen Bereich ließ der neue Landesherr weitgehend die napoleonische Ordnung bestehen: aus der „Mairie" wurde die Bürgermeisterei Oberpleis mit den beiden Gemeinden Oberpleis und Stieldorf. Die Bürgermeister wurden zunächst vom Staat ernannt. Nachdem der Bürgermeister Franz Gottfried Fröhlich am 25. Mai 1840 wegen mancher Misshelligkeiten sein Amt niederlegen musste, verlegte sein Nachfolger, Gutsbesitzer Peter Heuser aus Stieldorf, zum großen Ärger der Bevölkerung seine Amtsräume nach Stieldorf. Nach Einführung der Rheinischen Gemeindeordnung vom 23. Juli 1845 wurden die Ratsmitglieder nach dem sogenannten Dreiklassenwahlrecht gewählt: die Wahlberechtigten wurden nach der Höhe der bezahlten Steuer in drei Klassen eingeteilt, von denen jede die gleiche Anzahl von Ratsmitgliedern wählen konnte. Die Vermögenden waren also entschieden bevorzugt. Im Revolutionsjahr 1848 kam es zu einem Protestmarsch der wohl besonders freiheitlich-demokratisch gesinnten Berghausener („Republik Berghausen") zum Bürgermeisteramt in Stieldorf und weiter zum Landratsamt in Siegburg. Interessant sind die Einwohnerzahlen der Gemeinde Oberpleis: 1838: 3528 1853: 4125 (einschließlich 11 Juden, l Protestant) 1871: 3591* (einschließlich. 17 Juden, 8 Protestanten) *davon 2161 in Oberpleis, 703 im Bereich Thomasberg, 702 im Oberhau Die Schule wurde zunächst von geistlichen Schulvikaren geleitet; erst nachdem sich kein Geistlicher auf die ausgeschriebene Stelle gemeldet hatte, war der Lehrer 1821 ein geprüfter Laie. Schullokal war seit 1825 das alte Pastorat (Siegburger Straße 9-11), 1832 wurde ein Schulgebäude mit vier Klassenräumen auf dem Platz der inzwischen abgerissenen Pfarrkirche errichtet. Eine weitere Schule war seit 1820 in Eudenbach. Nachdem am 1. Mai 1865 ein selbständiges Schulsystem Kuxenberg gegründet worden war, wurde die Zahl der Klassen auf drei reduziert. Die Knabenklasse zählte 98, die Mädchenklasse 103 und die Unterklasse 138 Kinder. Die Schule in Sandscheid wurde 1897/98 erbaut und 1909/10 erweitert. Am 19. November 1912 wurde die neue Schule (auf dem Platz der jetzigen Tiefgarage) bezogen; die Schule zählte nunmehr 380 Kinder in fünf Klassen. Die wirtschaftliche Lage war im 19. Jahrhundert recht bedrückend. Zwar zählte die Gemeinde 1837 über 100 selbständige Handwerker, darunter viele Leineweber (70 Webstühle). Aber die aufkommende Industrie machte ihnen zunehmend das Leben schwer. Auch der Landwirtschaft ging es nicht gut, andere Arbeitsplätze waren fast nur in den Grubenbetrieben Altglück und Neuglück zu finden. (Neuglück erreicht 1863 seine Höchstförderung mit 6000 Tonnen Zinkblende und 200 Tonnen Bleierz.) 1837 wurde ein Braunkohlevorkommen bei Bockeroth erschlossen. Weitere Arbeitsmöglichkeiten gab es nur in weiterer Entfernung: die Steinbrüche am Stenzelberg, die Ziegelei bei Birlinghoven, Eisensteingruben bei Rott und Alaunsteingruben bei Pützchen. In den Jahren 1845 und 1846 kam es zu schlimmen Missernten. Im folgenden Jahr 1847 erreichte die Hungersnot ihren Höhepunkt. Besonders die landlosen Tagelöhner waren betroffen: einerseits fanden sie keine Arbeit, andererseits stiegen die Lebensmittelpreise. Der Bürgermeister von Eitorf berichtete an das Landratsamt: „Ein Tagelöhner mit Familie verdient, wenn er Arbeit hat, täglich 5 bis 6 Silbergroschen. Er braucht aber täglich, besonders da er schon lange keine Kartoffeln und kein Gemüse mehr hat, wenigstens ein Brot, und dieses kostet nun 10 Silbergroschen." Bürgermeister Heuser von Oberpleis erklärte: „Es leben wenigstens 500 Familien vom Tagelohn, und diese haben ihren ganzen Vorrat an Lebensmitteln im Januar bereits aufgezehrt." Die Armenkassen der Gemeinden waren hoffnungslos überfordert, zumal auch viele Steuerpflichtige nicht zahlungsfähig waren. Bürgermeister Heuser: „ Im vorigen Jahr bestanden die Unterstützungen an Geldeswert über 3000 Taler in 5 Monaten, aber viele Umstände machen es jetzt unmöglich, einen gleichen Betrag aufzubringen. Die Bürgermeisterei hat
Unterstützung für 380 Familien aufzubringen." Die fehlenden Steuereinnahmen ließen es auch nicht zu, dass die Bürgermeisterei durch Vergabe von öffentlichen Arbeiten (Wegebau) wirksam helfen konnte. Die preußische Regierung versuchte durch Kartoffel- und Getreidelieferungen zu helfen, aber erst die Ernte 1847 führte zu einer spürbaren Besserung. Dennoch muss Bürgermeister Heuser noch um 1850 berichten: „In jedem Frühjahr ziehen die meisten Arbeiter nach den Kohlerevieren und verzehren auch meistens dort, was sie verdienen. Die Familien erleiden inzwischen bittersten Mangel, der im Winter, wenn die Arbeiter krank und abgeschwächt zurückkehren, meistens noch größer wird." Das Sterbealter lässt den Gesundheitszustand der Menschen erahnen: von den 80 Toten des Jahres 1850 starben 46 als Kinder unter 6 Jahren, 8 junge Menschen zwischen 7 und 30, 9 Verstorbene waren 31 - 50 Jahre alt, nur 17 wurden älter als 50 Jahre. Viele Menschen entschlossen sich zur Auswanderung, vor allem nach Nordamerika. Erst nach 1871 besserte sich die Wirtschaftslage. 1872 kam mit der Gründung der ersten Baumschule in Jüngsfeld ein neuer Wirtschaftszweig; es folgten Steinbrüche, Ton- und Quarzitgruben. Zur Förderung der Wirtschaft bedurfte es dringend des Ausbaus der Verkehrswege. In den Jahren 1853 bis 1856 entstand als erste leistungsfähige Straßenverbindung die Straße Niederdollendorf- Kircheib (Dollendorfer Straße, Herresbacher Straße, usw.). 1867 folgte die Pleistalstraße (Siegburger Straße). Eine wichtige Bedeutung hatten später auch die Kleinbahnen. Am 22. Oktober 1891 wurde die Heisterbacher Talbahn (Niederdollendorf - Grengelsbitze) eröffnet, am 7. Mai 1893 folgte die noch wichtigere Pleistalbahn, die am 1. Oktober 1903 bis Rostingen verlängert wurde. Diese Bahn machte es nun auch möglich, dass Schüler das Gymnasium in Siegburg besuchten. Nach der Jahrhundertwende kümmerte man sich mit großem Nachdruck um die Wasser- und Stromversorgung. Im Jahre 1897 waren nur Oberpleis und Eisbach mit Wasserleitungen versehen, bis 1914 war der größte Teil aller Orte angeschlossen. Ebenso eifrig wurde der Ausbau des Stromnetzes betrieben, 1910 bekam die Pfarrkirche elektrischen Strom. Das kirchliche Leben verlief nach der Wiederherstellung des Erzbistums Köln (päpstliche Bulle De salute animarum vom 16. Juli 1821) bald wieder in geordneten Bahnen. Die Pfarrgemeinde kümmerte sich gewissenhaft um die Erhaltung der Propsteikirche, doch ließen die geringen Geldmittel nur Notreparaturen zu. Im Jahr 1872 wurde eine Kapelle in Eudenbach gebaut, 1879 ein Seelsorgebezirk Eudenbach errichtet. Die Besetzung der Seelsorgestelle bereitete allerdings noch jahrzehntelang Schwierigkeiten. Im Jahr 1875 hatte der 72-jährige Pfarrer Hertel unter dem unseligen Kulturkampf schwer zu leiden. Er berichtet: „Auf Grund des Gesetzes betr. der Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln für die römisch-katholischen Bistümer und Geistlichen vom 22. 4. 1875 wurde mir vom 1.1.1875 ab mein Gehalt entzogen, weil ich mich weigerte, als römisch-katholischer Priester die Gesetze des Staates anzuerkennen. Am 20.12. desselben Jahres erschien in der Pastorat Bürgermeister Peter Heuser nebst dem Polizeidiener Müller und erklärte mir in Gegenwart des Kaplans Vorent und des Kirchenrendanten Weber, dass ich im Namen des Gesetzes die Pastorat verlassen müsste, worauf ich unter Protest dieselbe verließ und mit dem Kaplan das Haus Niederbach, sog. Burg des Herrn Grafen von Spee, bezog". Der wiedergefundene Frieden zwischen der katholischen Kirche und dem Staat und die günstigere wirtschaftliche Lage machten es möglich, in den Jahren 1891 - 1894 die Kirche nach Plänen und unter Leitung des Kölner Baumeisters Heinrich Wiethase gründlich instand zu setzen und zu erneuern. Das Mauerwerk wurde an der ganzen Kirche so instand gesetzt, dass die hässlichen Stützpfeiler und Maueranker aus dem 18. Jahrhundert und von 1840 entfernt werden konnten. Im Bereich des ehemaligen südöstlichen Chorflankierungsturmes, wo sichtbar war, dass der Durchblick hinter dem Vierungspfeiler durch die Öffnung dieses Turmes zum Innenraum entstanden war, wurde eine neue Wandlösung mit zwei Kreissegmenten geschaffen. An der gegenüberliegenden Nord-Ost-Ecke waren der Chorflankierungsturm und ein Teil der Kirchenwand schon vor langer Zeit eingestürzt; den Schaden hatte man durch eine hässlich schräge Mauer repariert. Dieser Teil der Kirche wurde entsprechend der Süd-Ost-Ecke neugestaltet; ferner wurde hier eine neue Sakristei angebaut, die zugleich auch die Funktion eines Stützpfeilers hat. Die beiden Wände zwischen den Seitenschiffen und dem Querhaus wurden herausgenommen. Auch die Krypta wurde wieder hergerichtet und für den Gottesdienst benutzbar gemacht: Die alten Kellereinbauten wurden entfernt, das ursprüngliche Fußbodenniveau wieder hergestellt. Die Treppen, die von den Seitenschiffen in die Krypta führen, wurden wieder geöffnet, dafür wurde der 1718 geschaffene Zugang wieder geschlossen. Die Kirche erhielt eine konsequent neuromanische Innenausstattung (Altäre, Bänke, Beichtstühle, Kreuzweg), alle barocken Gegenstände, auch die Heiligenfiguren, wurden entfernt. Energischer Förderer der Kirchenrenovierung war der Pfarrer Friedrich Schmitz (1888-1900). Er besaß zusammen mit seinem Bruder, dem Pfarrer in Ruhe Jakob Schmitz, ein Haus an der Dollendorfer Straße, das in Erinnerung an eine verstorbene Schwester Villa Konstantia genannt worden war. Der Letztere schenkte am 8. Januar 1903 das Haus der Genossenschaft der Armen Franziskanerinnen von der Ewigen Anbetung zur Verwendung als Krankenhaus in Oberpleis. Am 2. April 1903 begannen die Schwestern ihre segensreiche Tätigkeit. Erwähnenswert ist, dass seit 1791 in Oberpleis eine Synagoge war, in der sich die kleine Gemeinde der Oberpleiser und Ittenbacher Juden zusammenfand. Erst als in den achtziger Jahren die jüdische Bevölkerung im ländlichen Raum stark abnahm, wurde die Oberpleiser Gemeinde mit der von Hennef/Geistingen vereinigt. In einer Statistik des Jahres 1908 ist kein jüdischer Einwohner verzeichnet. Die Familie Cohn, die in den zwanziger Jahren in Oberpleis und später in Sassenberg (1928) und in Quirrenbach (spätestens ab 1931) wohnte, scheint erst kurz vor dem 1. Weltkrieg zugezogen zu sein; David Cohn aus Oberpleis und Hugo Cohn aus Dahlhausen sind als Kriegsteilnehmer bekannt. Der Letztere fiel im Mai 1916. Krieg und Not in den Jahren 1914 bis 1945 Mit großen Erwartungen hatte Oberpleis das neue Jahrhundert begonnen, der Ausbruch des 1. Weltkrieges am 1. August 1914 machte alle Hoffnungen zunichte. Zwar blieb unsere Heimat diesmal vom eigentlichen Kriegsgeschehen verschont, aber als am 11. November 1918 der Waffenstillstand beschlossen wurde, hatten 127 Männer ihr Leben gelassen. Die wirtschaftliche Lage, durch den verlorenen Krieg ohnehin schon bedrückend, verschlechterte sich noch mehr, als im Zuge des „Ruhrkampfes" (Januar 1923) auch unsere Heimat von französischen Truppen, hauptsächlich Marokkanern, besetzt wurde. Gleichzeitig verschärfte sich die Inflation, Handel und Gewerbe kamen zum Erliegen, die Versorgungslage der Bevölkerung wurde immer kritischer. Große Aufregungen gab es dann noch im November 1923: Mit wohlwollender Duldung der französischen Besatzungsmacht hatte sich eine politische Bewegung gebildet, die für die Loslösung des Rheinlandes vom deutschen Reich eintrat (Separatisten). Eine undisziplinierte Söldnertruppe dieser Bewegung versuchte, vom Mittelrhein her über Linz und Honnef in unsere Heimat einzudringen, um dann weiter über Siegburg und das Bergische Land das Ruhrgebiet zu erreichen. Ihr stellten sich die Bewohner des Siebengebirges entgegen, teils aus Vaterlandsliebe, teils aber auch, um ihren Besitz gegen die Übergriffe des plündernden Haufens zu verteidigen. Am 15. und 16. November 1923 kam es zu schweren Gefechten bei Aegidienberg, an denen auch die Oberpleiser Männer beteiligt waren. Die Separatisten wurden schließlich nach Honnef zurückgeworfen, dort wurden sie am folgenden Tag von französischen Soldaten entwaffnet und rheinaufwärts abgeschoben. Am Morgen des 16. Novembers hatte Bürgermeister Komp einen jungen Mann beauftragt, auf dem Kirchturm mit einem Hammer die Sturmglocke zu läuten. Er schlug in seiner Aufregung so heftig zu, dass ein Stück aus der uralten Glocke herausbrach. Diese Glocke wurde 1929 in ein Ehrenmal auf dem Kirchvorplatz eingefügt. Bürgermeister Komp hatte zweifellos an der Organisierung der Abwehrkämpfe erheblichen Anteil, er wurde später wegen des Verstoßes gegen das Verbot des Waffenbesitzes von einem französischen Militärgericht bestraft. Nach einer kurzen Scheinblüte setzt 1929 als Folge der weltweiten Wirtschaftskrise ein neuer, schwerer Niedergang ein. Die Arbeitslosigkeit stieg in erschreckendem Maße, die Finanzlage der Gemeindeverwaltung war so schlecht, dass die Handwerker von ihr keine Aufträge mehr annahmen. Nach dem 17. Januar 1934 erklärte der Bürgermeister, dass 54 Prozent der Bevölkerung aus öffentlichen Mitteln unterstützt würden. Trotz aller Not konnte aber der Kölner Pfarrer Christian Moll in den Jahren 1931 und 1932 in Oberpleis noch erhebliche Lebensmittel- und Kleiderspenden für seine Arbeiterpfarrei sammeln. Dass die allgemeine Radikalisierung im politischen Leben und das Erstarken des Nationalsozialismus unsere Heimat nur sehr abgeschwächt erreichten, zeigt das Ergebnis der Gemeinderatswahl vom März 1933: a) Nationalsozialisten 208 Stimmen b) Zentrum 613 Stimmen c) Christlich-Nationaler Volksblock 81 Stimmen d) Mittelstandsliste 183 Stimmen e) Thomasberger Schulbezirk 84 Stimmen f) Allgemeine Bürgerliste 183 Stimmen g) Allgemeine Arbeiterliste 303 Stimmen h) Bürgerliste von Eudenbach und Umgebung 185 Stimmen j) Christliche Bürgerpartei 58 Stimmen Gültige Stimmen insgesamt 1898 Stimmen Natürlich konnte auch dieses Wahlergebnis die „Machtergreifung" der Nationalsozialisten in Oberpleis nicht verhindern. Die Auseinandersetzung mit der neuen Ideologie ging in unserer Gemeinde vor allem von der Kirche aus. Die Abendpredigten des Kaplans Renk waren offene Kampfansagen; zu diesen Predigten wurden nur Männer eingelassen, 500 - 600 füllten die Kirche bis auf den letzten Stehplatz. Im Februar 1935 wurde Kaplan Renk aus dem Regierungsbezirk Köln ausgewiesen; sein schlechter Gesundheitszustand hat ihn möglicherweise vor weiteren Verfolgungen bewahrt. Im August 1939 meldete das Kirchenblatt, dass die dringend notwendigen Erneuerungsarbeiten an der Propsteikirche noch im Herbst beginnen sollten. Es kam anders: Die Ausgabe des Kirchenblattes war zugleich die letzte; das Blatt musste bei Kriegsausbruch sein Erscheinen einstellen. Natürlich war der Kriegsalltag für Oberpleis schon bedrückend genug (1943 gab es 72 mal Luftalarm), aber den Höhepunkt des Schreckens brachte das Jahr 1945. Ab Ende Februar 1945 wurden die Tieffliegerangriffe so gefährlich, dass man sich kaum noch auf die Straße wagen konnte. Zwei Tage, nachdem die Amerikaner am 7. März 1945 den Rhein bei Remagen überschritten hatten, geriet Oberpleis auch unter Artilleriebeschuss. Dieser steigerte sich bis zum Passionssonntag, dem 18. März. Viele Oberpleiser hatten sich in die Krypta der Pfarrkirche geflüchtet und verbrachten dort Tag und Nacht. Am 19. März erreichte die Front den Süden des Pfarrgebietes, am 20. März wurde der Kirchort selbst erobert, und am 22. März war die ganze Pfarrei in der Hand der amerikanischen Truppen. Am 25. März starb die letzte Kriegstote durch eine deutsche Granate. Bei diesen Kämpfen kamen insgesamt 84 Zivilpersonen ums Leben, darunter 8 Kinder; 112 gefallene deutsche Soldaten wurden nach Ende der Kämpfe von den Männern aus Oberpleis geborgen, eine unbekannte Zahl wurde von den Amerikanern bestattet. 113 Männer aus Oberpleis haben als Soldaten fern der Heimat ihr Leben gelassen. Der Weg in die Zukunft Bevor die Bewohner von Oberpleis mit dem Wiederaufbau beginnen konnten, hatten sie noch eine traurige Aufgabe zu erfüllen: die Bergung und Bestattung vieler Kriegstoten. Dann aber ging man entschlossen daran, die Kriegsschäden zu beseitigen und Leben wieder möglich zu machen. Die Aussicht auf die bevorstehende Tausend-Jahr-Feier im Jahre 1948 hat dabei viele Kräfte angespornt. Das Jubiläum der Wigfried-Urkunde aus dem Jahre 948 wurde zu einem Fest aller Bürger und zu einem Ausdruck des Lebenswillens der Gemeinde. Das Festprogramm verzeichnet Gottesdienste, ein Festspiel, verschiedene Vorträge, Volkstanz- und Volksliederabende sowie Ausstellungen von Handwerk und Kunst, und nicht zuletzt eine bedeutsame Festschrift. Durch die Kriegsereignisse und den nachfolgenden Flüchtlingsstrom hatte die Zahl der evangelischen Christen in Oberpleis stark zugenommen. Schon seit 1945 gab es für sie regelmäßige Gottesdienste im Unterrichtsraum der katholischen Gemeinde, im Saal Lichtenberg, in der Schule und im Saal Bellinghausen. Am 11. Dezember 1949 wurde die evangelische Kirche eingeweiht, ein Werk des bekannten Kirchenbaumeisters Otto Bartnang. Die katholische Gemeinde konnte ihrerseits den lange gehegten Plan der Neugründung einer Pfarrei in Thomasberg verwirklichen. Schon seit 1945 gab es im Saal Wicharz eine Notkirche; am 19. März 1950 wurde die Kirche in Thomasberg geweiht, am 1. April 1953 die Kirchengemeinde St. Joseph in Thomasberg errichtet. In Oberpleis bemühte sich der kunstsinnige Pfarrer Hans Wichert um die weitere Erneuerung und künstlerische Ausstattung der Propsteikirche. Im Jahre 1954 entstand bei der Schule Sandscheid eine neue Kapelle. Die Filialkirche in Uthweiler, an der Stelle einer früheren Kapelle, wurde an Pfingsten 1968 eingeweiht. -Am 1. April 1959 eröffnete die katholische Gemeinde ihren neu erbauten Kindergarten an der Lohrbergstraße, im Februar 1972 kam ein weiterer Kindergarten in der alten Sandscheider Schule hinzu. Am 1. Juli 1951 stellte die Rhein-Sieg-Eisenbahn den Personenverkehr nach Oberpleis ein, zehn Jahre später folgte auch der Güterverkehr. Die Heisterbacher Talbahn hatte den Betrieb bis auf wenige Reste bei Dollendorf schon vor dem 2. Weltkrieg aufgegeben. Die Bahnkörper wurden vielerorts zum Ausbau der Straßen genutzt; die Zeit des Kraftfahrzeugs hatte begonnen. Mehr als tausend Jahre hatte Oberpleis als selbständiges Gemeindewesen bestanden; am 1. August 1969 wurde im Rahmen der kommunalen Neuordnung die Zivilgemeinde Oberpleis aufgelöst und mit Königswinter, Dollendorf, Ittenbach, Heisterbacherrott und Stieldorf zur neuen Stadt Königswinter zusammengefügt. eine wichtige Aufgabe der neuen Stadt war der Ausbau des Schulwesens. Schon die alte Gemeinde Oberpleis war hier nicht untätig gewesen: am 1. Juli 1967 wurde die neue Schule in Sandscheid eingeweiht, im September 1967 bezog die zwei Jahre früher gegründete Realschule ein neu erbautes Schulgebäude an der Dollendorfer Straße. Nachdem am 1. August 1969 auch ein neues Gymnasium seine Arbeit aufgenommen hatte, beschloss der Stadtrat im November 1971 die Errichtung eines Schulzentrums mit einer Bausumme von 34 Millionen DM. Zum Schuljahresbeginn 1978/79 zogen Grund-, Haupt-, Realschule und Gymnasium ein. Welch ein Unterschied zu der Schule des 19. Jahrhunderts! Im Jahre 1968 begannen sehr gründliche Erneuerungsarbeiten an der Propsteikirche. Zunächst wurde der Turmhelm und das oberste Geschoss des Turmes völlig abgetragen und neu errichtet. Im Herbst 1973 begannen die Arbeiten am Kirchengebäude selbst. Im Dezember 1973 wurde der Gottesdienst in eine hölzerne Notkirche verlegt, und es begann eine fünfjährige Bauzeit. Im Oktober 1974 wurden bei der Tieferlegung des Mittelschiffes große Teile eines mittelalterlichen Tonfliesenbodens gefunden. Der bedeutsamste Teil des Bodens wurde 1975 in der Kölner Ausstellung „Monumenta Annonis" gezeigt. 1974/75 ging es hauptsächlich um die Sicherung der Bausubstanz, die gesamte Mauerkrone wurde gefestigt, der Dachstuhl ausgebessert und das Dach neu gedeckt. Auch die Elektro-Installation und der Innenputz wurden erneuert. Ferner wurden die Rahmen der Kirchenfenster renoviert und die Fenster mit einer Schutzverglasung versehen. 1978 wurden die Außenwände nach Jahrhunderten wieder verputzt und mit einem rot-weißen Anstrich versehen. Diese Maßnahme erregte in Oberpleis großes Aufsehen, erschien die Kirche doch jetzt in einem sehr ungewohnten Gewande. Im Inneren wurde eine Nachbildung des alten Tonfliesenbodens verlegt sowie der neue Anstrich aufgebracht. In der Vierung wurde gemäß den Erfordernissen der erneuerten Liturgie ein Vierungsaltar errichtet. Am 17. Dezember 1978 konnte die Gemeinde dann endlich von ihrer Kirche wieder Besitz nehmen. Der Weg in die Zukunft hat begonnen. Niemand weiß, wohin dieser Weg führen wird. Der Blick in die Vergangenheit dieser Gemeinde kann uns Mut machen: Noch immer waren die Kräfte des Lebens stärker als die der Vernichtung. |