"Soldatenlos"

Ich lag den ganzen Tag zwischen französischen Verwundeten und rauchte Zigaretten, erst am späten Nachmittage kamen Tragbahren. Ich kam gleich auf eine zu liegen, und 6 Gefangene in Begleitung eines deutschen Krankenträgers trugen mich nach dem Römerlager zur Feldbahn. Es war ein mühseliger Weg. … Am Römerlager lagen hunderte von Verwundeten, die auf die Feldbahn warteten. Vor dem Ehrenfriedhof, ich vergesse die über dem Birkentor befindliche Inschrift nie: 'Dein im Leben, Dein im Sterben, ruhmgekröntes Vaterland', lag ein Berg von Toten, Deutschen und Franzosen im Tode vereint. Sie waren alle als schwer Verwundete auf dem Transport nach hier gestorben. 

 

Soldatenlos

 

Fern irgendwo im Gefilde

schließt jäh dein Leben ab

durch Klinge oder Blei

oder Gift, ganz einerlei,

ob bei Tag oder Nacht, so oder so:

Es liegt ja immer dein Grab

am Wege irgendwo.

 

Ein Spaten hackt das Kreuzlein,

das wird erdein getrieben,

dein Name drauf geschrieben,

die Sonne bleicht den Strich,

der Regen spült's herunter,

das Kreuz wird morsch, geht unter,

wer weint dann noch um dich.

 

Nach einiger Zeit wurde ich auf die Feldbahn verladen und nahm Abschied vom Argonnerwald. Der letzte Gruß von deutscher Wehrhaftigkeit war eine feuernde Batterie schwerer Haubitzen, an der wir dicht vorbeifuhren. Dann ging es nach Chatel. In der Kirche war der Verbandplatz, dort gab es auch die erste Verpflegung. Ich bekam einen neuen Verband und eine Spritze, wurde in ein Auto geladen, und wir fuhren zum Bahnhof. Dort stand ein Lazarettzug, der nach Deutschland gehen sollte. Ich war der Erste, der in einem Abteil untergebracht wurde. Der Regen rieselte auf den Fensterscheiben, das Maschinengewehr- und Artilleriefeuer lag mir noch in Ohren und dröhnte zu mir herüber, und mit dem seligen Gefühle, dem Massengrab entronnen und dem Himmel entgegen, schlief ich ein.“

 

Bild von 1915
Zeichnung und Text: Peter Worringer; Repro: Friedhelm Worringer; Bearbeitung: Edgar Zens
Quelle: Peter Worringer: Meine Kriegserlebnisse
Zur Verfügung gestellt von Edgar Zens, aus dem Nachlass von Agnes Zens, geb. Worringer

Raum: Kriegszeiten Vitrine: Erster Weltkrieg 1914-1918
Galerie: Gedichte aus dem Ersten Weltkrieg
Dieses Bild wurde 164 Mal angesehen
Datensatz 13423 wurde zuletzt bearbeitet von ze/fb/ze am 13.09.2021 um 22:39 Uhr
Nachricht Information / Anmerkung zum Bild verschicken