124 Abiturienten in Oberpleis verabschiedet

"Oberpleis. 'Muhammad Abi - 12 Jahre durchgeboxt' lautete das Abiturmotto der Abiturientia des Gymnasiums am Oelberg. Aber gar nicht abgekämpft, sondern glücklich und erwartungsvoll nahmen die 124 Abiturienten - 72 Jungen und 48 Mädchen - ihre Zeugnisse in der festlich geschmückten Aula entgegen. Gestaltet wurde die Feier, die mit einem Gottesdienst in der katholischen Kirche in Oberpleis unter Mitwirkung von Abiturienten und Schedrik-Chor begann, von der Oberstufenleitung und den entsprechenden Abiturkomitees. Gutscheine gab es für die Leistungsbesten Björn Schümann (1,0) und Lara Betz (1,1). Für ihr soziales Engagement für die Jahrgangsstufe während der Oberstufenzeit wurden Alexander Lerch, Fanziska Mäckel und Hannah Steilen (Stufensprecherin) geehrt.

Die 124 Oberpleiser Abiturienten:

Munir Ainouz, Laura Madeline Alba, Steven Aßmann, Jonas Aufdermauer, Ole Baehr, Jan Niklas Balansky, Kai Bankstahl, Sevcan Bayraktar, Christian Behr, Alina Behrendt, Sebastian Berg, Julian Karl Heinrich Bergenroth, Lara Betz, Nils Breuer, Felix Valentin Bröhl, Lorenz Brückmann, Liam Alexander Buchholz, Julius Clemens, Thomas Czaja, Dennis Andre Demer, Lea Dierig, Simon Effing, Maximilian Engel, Marius Enzo Englert, Rebecca Erker-Hildebrandt, Lukas Faber, Svenja Faust, Philipp Fischer, Maurice Florin, Michelle Fotler, Redon Gervalla, Katharina Gies, Jonas Gilka, Ellen Glaubach, Nils Niklas Goerigk, Lisa Golkowski, Julius Johannes Hanel, Judith Harth, Franziska Haspel, Niklas Hausemann, Julia Heldmann, Svenja Liza Hochstätter, Nils Höhner, Benjamin Marius Holz, Adrian Humboldt, Paul Johe, Niklas Jost, Tilman Jost, Sergej Kasakov, Lia Kirsch, Alexander Kleemann, Konstanze Klosterhalfen, Constantin Kopp, Vera Korte, Ina Kortekamp, Lennart Krämer, Nicklas Krieger, Kira Krüger, Shamil Kudukkath, Vivien Lancier, Fabian Christian Landsberg, Alexander Lerch, Lina Limbach, David Linden, Julia Ljangosov Theresa Löbach, Christina Marie Löcker, Marvin Lokotsch, Nils Lokotsch, Daniel Löwen, Violetta Lück, Franziska Mäckel , Peter Meis, Fabian Mews, Amina Mokhtar, Jonas Monzel, Julian David Möschter, Philipp Leonard Nekum, Daniel Neudecker, Johannes Nolden, Marie Pieper, Erik Plato, Joshua Quick, Thomas Reibert, Marvin Reinke, Maria Richard, Kilian Rick, Björn Rietmann, Lara Ritter, Paulina Roloff, Annika Rondolos, Dana Rösgen, Sarah Rotzoll, Jana Rüppel, Simon Schäfer, Ann-Katrin Schlosser, Fabian Schlosser, Selma Schmitt, Luka Schneiders, Mateo Schulze-Vorberg, Björn Schümann, Fabian Sporer, Benedikt Steeg, Fani Stefanakoudi, Hannah Rosa-Maria Steilen, Mira Steinhaus, Jessica Stockhausen, Paula Susbauer, Daniel Tapia, Anne Charlotte Tenger, Muriel Thiers, Nils Trude, Semih Tuna, Thomas Twellmann, Britta Vonk, Daniel MinhDuy Vu, Anna Lena Wagner, Nikolai Waitz, Julia Walgenbach, Jule Wegen, Christian Wertenbroich, Julia Kristin Wicke, Laila Devi Wolfsteller und Niklas Yeh

 

Rede der Jahrgangsstufenleiter Regine Kloppert und David Teller:

Sehr geehrte Frau Friedrich, sehr geehrter Herr Theodoridis, liebe Eltern und Kollegen liebe Abiturientia

Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer'.

Liebe Abiturientinnen und Abiturienten, liebe Eltern! Seien Sie beruhigt, dieser Satz stammt nicht aus einer Talkshow von Günter Jauch, sondern von dem griechischen Philosophen Sokrates aus dem fünften vorchristlichen Jahrhundert.

Liebe Abiturientia, viele von euch kennen wir seit der 6. Klasse und wir können versichern, dass diese Einschätzung des Sokrates auf die meisten von euch jedenfalls nicht zutrifft, sondern wir euch im Gegenteil soziales Engagement und stabile Wertorientierung bescheinigen können. Und wir, die Lehrer haben versucht, unserem Auftrag gerecht zu werden, diese Wertorientierung durch unseren Bildungsauftrag zu begleiten, zumindest in dem Rahmen, den die Bezirksregierung zuließ.

Bildung hat eigentlich einen vierfachen Auftrag:

- Sie hat Nützliches und Verwendbares zu vermitteln, das heißt, wetterfest zu machen für Beruf uns Leben.
- Sie hat die Heranreifung einer persönlichen Identität zu unterstützen.
- Sie hat einen Wertekosmos ('Leitkultur') zu vermitteln und dadurch kulturelle Identität zu vermitteln.
 -Und sie hat zu vermitteln, dass der Mensch nicht nur eine funktionierende Maschine sein kann, sondern sie hat zu vermitteln, welche Chancen in Muse und Muße stecken.

Diese vier Zielsetzungen sollten sich die Waage halten. Aber tun sie dies in der gegenwärtigen Realität der Bildungsrepublik Deutschland?

Schier inflationär sollen unsere Schüler Kompetenzen erlangen: (Alle nachfolgend genannten Kompetenzen kann man in deutschen Lehrplänen finden). Als da sind: Methoden-Kompetenz, Medien-Kompetenz, Handlungs-Kompetenz, Sozial-Kompetenz, Human-Kompetenz, Kritik-Kompetenz, Frage-Kompetenz, Orientierungs-Kompetenz, Strukturierungs-Kompetenz, Analyse-Kompetenz, Urteils-Kompetenz, Dekonstruktions-Kompetenz, Rekonstruktions-Kompetenz, Narrative Kompetenz, Personal- und Selbst-Kompetenz ...

Da fehlt nur noch die Inkompetenzkompensationskompetenz, d.h. Fähigkeit, eigene Inkompetenz zu maskieren.

Aber, einen ganzheitlich gebildeten Menschen kann man nicht konstruieren! Auch nicht dadurch, dass man die Bildungsziele allgemeinbildender Schule in Einzelkomponenten zerlegt, und bis in kleinste Detail durchgeplante Curricula erstellt, die festlegen welche 'Urteilskompetenz' im zweiten Quartal des ersten Halbjahres der sechsten Klasse im Geschichtsunterricht zu erlangen ist.

'Bildung', die viel zitierte, oft gewaltsam verballhornte und technokratisch verbrämte, kann man nicht planen und erzwingen. Sie erwächst aus dem Wunsch der Lernenden den eigenen Horizont zu erweitern und den Angeboten der Lehrenden, für eben diese Horizonterweiterung. Sie entsteht aus den Beziehungen zwischen Menschen, die sich innerhalb dieses Spannungsfeldes aus Lernangeboten und Lernwünschen bilden. Dass "Bildung" gelingt ist nie garantiert, aber wir haben es in den zurückliegenden 8 Jahren, die ihr diese Schule besucht habt, erfreulicherweise immer wieder erleben dürfen.

Was bringen die verbalen Höhenflüge der Verwaltung und Erziehungswissenschaft? Wenig! Denn inhaltsentleerte Kompetenz an sich hat keinen Bildungswert! Mit Blick auf eine solche Interpretation einer funktionalistischen Bildungspolitik, fallen mir eigentlich nur noch zwei renommierte Stichwortgeber und begnadete Aphoristiker ein:

- Der eine ist Goethe: 'Es gibt nichts Entsetzlicheres als tätige Unwissenheit'
- Der andere ist Karl Kraus, österreichischer Schriftsteller und Satiriker 'Es genügt nicht, keine Gedanken zu haben; man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken'.

Kreativität ist ein wichtiges Bildungsziel! Aber welchen Wert hat sie, wenn der bildende Unterricht an Schulen neben vielfältigen Anregungen "kreativ zu sein" jene Aspekte vernachlässigt, die es uns als Menschen erst ermöglichen in Gruppen erfolgreich einem gemeinsamen Ziel nachzueifern? In einer Epoche in welcher uns der entfesselte Individualismus und Egozentrismus jeden Abend aus dem Fernseher oder dem Tablet anglotzt und die Zurschaustellung des eigenen Idealbildes auf diversen sozialen Netzwerken längst identitätsformenden Charakter gewonnen hat, erhalten Bildungsziele wie Disziplin, Gemeinsinn und die Fähigkeit die eigenen Wünsche temporär zu Gunsten des gemeinsamen Ziels einer Gruppe hinten an zu stellen, immense Bedeutung.

Kreativ schreiben zu können ist etwas wunderbares! Aber wie viele von euch wollen das kreative Schreiben zum Beruf erheben? Wie viele von euch streben im Gegensatz dazu einen Weg des Juristen, Diplomaten, Verwaltungsangestellten, Ingenieurs oder Ähnliches an? Welche Fähigkeiten - Kompetenzen? - müsst ihr mitbringen, wenn ihr in diesen Funktionen erfolgreich werden wollt? Kreatives Schreiben wird dabei sicher weniger ausschlaggebend sein als so etwas Banales wie eine sichere Rechtschreibung. Und so entläasst unser Schulsystem Generationen von jungen Menschen in die Berufswelt, die vielleicht gerne Texte verfassen würden, es aber nicht tun, weil sie um ihre Defizite in der Rechtschreibung wissen, für die sie aber ursächlich nicht verantwortlich sind.
Damit wollen wir jetzt nicht den Eindruck erwecken, wir würden euch ohne Wissen, ohne Bildungsstandards und Instrumentarien der gymnasialen Ausbildung entlassen, nur vielleicht nicht an allen Stellen so, wie wir es gerne getan hätten.

Aber so oder so steht ihr, liebe Schüler und -Innen unserer Jahrgangsstufe erneut an einem Punkt Eures Lebens, an dem es heißt, nun 'beginne der Ernst des Lebens'. Bei näherer Betrachtung werdet ihr aber feststellen, dass man Euch das schon mehrmals gesagt hat. Beim ersten Mal gab es noch eine Schultüte zu diesem Lebenseinschnitt, beim zweiten Mal gab es Luftballons und diesmal gibt es Studienführer und einen Haufen weiterer Unterlagen und es ist weit weniger romantisch als die beiden vorhergehenden Übergänge in den sogenannten Ernst des Lebens. Aber dafür ist das Abitur eine wirkliche Zäsur, es ist die erste akademische Prüfung, der Ausgangspunkt für eine Lebensplanung, aber auch Aufbruch, verbunden mit der Notwendigkeit, einige feste Verbände, die euch in den letzten beiden Dekaden begleitet haben, die euch den Schutz der Gruppe gaben zu verlassen, die Familie, die Stufe, die Schule. Mit Eltern und Geschwistern, mit den Mitschülern, denjenigen, die ihr mochtet und denjenigen, die ihr nicht mochtet - das Gleiche gilt für die Lehrer - habt ihr viele Erfahrungen gemacht, seid durch die Pubertät gegangen - besonders Eltern wissen, was das bedeutet - habt gelernt, Erfolgsstrategien zu entwickeln, aber auch Niederlagen zu verarbeiten.

Nicht die Noten, sondern diese Strategien, die ihr für die die Problemlösungen jeglicher Art entwickelt habt, sind das entscheidende was ihr aus der Schule mitnehmt. Erfahrungen mit den vielfältigen Organisationsaufgaben für die Gestaltung der Abiturfeierlichkeiten, verbunden mit der Verantwortung für den Abschluss und die Einhaltung von Verträgen, für hohe Summen und die Zuständigkeit für Bewirtung und Programm, für die Erstellung einer Abiturzeitung, die fristgemäß fertig werden musste. Einige von euch haben ihr Standvermögen und ihre Ängste vor Publikum aufzutreten in Theater-AG, Kabarett, Drama-Group und Schedrik-Chor, ausprobiert. Eure soziale Kompetenz habt ihr in der Ausübung vieler Ämter und Funktionen unter Beweis gestellt.

Aber letztlich wurdet ihr alle von der Schule geprägt, unabhängig davon, ob ihr das das riesige Angebot an Betätigungsfeldern wahrgenommen habt oder nicht. Ihr wurdet geprägt durch den Schulalltag, durch das gemeinsame Zittern vor den Klausuren, durch Erfolge und Misserfolge und durch die vielfältigen Begegnungen, ob mit Lehrern, Schülern oder Teilnehmern der Austauschprogramme. Wie weitreichend jedoch die Erfahrungen sind, die ihr in diesem Mikrokosmos der Schulwelt mit ihren vielen Facetten gemacht habt, werdet ihr erst später feststellen.

Die Schule ist das Reich der Jugend, nun dürft und sollt ihr größere Gefilde erobern, so wie in der Geschichte. Sie baut aufeinander auf. Ein gewesenes Reich erklärt die Entstehung eines neuen. Ihr müsst die Vergangenheit in Erinnerung tragen, um die Zukunft zu gestalten. Vielleicht schafft eure Generation nebenbei das "rigide Diktat" einer korrekten Rechtschreibung ab.

In diesem Sinne wünschen wir euch alles Gute für die Zukunft, was auch immer sie für euch bringen möge."

Bild von 2015
Textformatierung und Bildbearbeitung: Franz Bellinghausen
Quelle: www.extra.blatt.de; Foto: privat

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Raum: Schulen Vitrine: Gymnasium am Oelberg Oberpleis
Galerie: Schedrik-Chor
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Datensatz 6612 wurde zuletzt bearbeitet von fb am 10.12.2020 um 13:37 Uhr
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