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Die Geschichte der Mühlen
unseres Kirchspiels
von Bernhard Gast
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Mühle und Müller
Die Mühle der Propstei Oberpleis
Die alte Mühle vom Weilerhof
Die Röttgens-Mühle zu Weiler
Die Wahlfelder Mühle
Die Mühle zu Freckwinkel
Die Rörichs-Mühle zu Uthweiler
Die Mühle zu Nonnenberg
Die Döttscheider Mühle
Drei Ölmühlen
Die Öhligs Müll zu Ruthscheitt
Hinweis: Bilder der Mühlen finden sich soweit vorhanden unter Gewerbe: Mühlen
Vorwort
Die Geschichte der Mühlen unseres Kirchspiels, der späteren Gemeinde Oberpleis, ist auch ein Stück Heimatgeschichte. Die ersten Mühlen sind entstanden, als die Menschen sesshaft wurden und neben ihrer Viehzucht auch einen geregelten Ackerbau betrieben. Aus der Antike sind Berichte von wasserangetriebenen Mühlen mit sich drehenden Steinen überliefert. Vorher wurde das Getreide in mühevoller Handarbeit zwischen zwei Steinen zerrieben, wenn es um große Mengen ging, von Sklaven, Leibeigenen oder Gefangenen. Die Herstellung von Mehl für den häuslichen Gebrauch wurde mit verbesserten Handmühlen noch lange beibehalten. Die Römer im Rheinland betrieben schon Wassermühlen. Erste Berichte von Mühlen auf dem Lande gibt es in den alten Akten des Klosters Prüm in der Eifel. Im Prümer Urbar von 993, dem Besitzverzeichnis des Klosters, werden 35 Mühlen aufgeführt. In der Umgebung von Oberpleis erinnern Ortsnamen an alte Mühlen. Mühleip, Müllekoven und Mülldorf, letzterer wurde als Mulindorp im Jahre 1064 bei Gründung der Abtei Siegburg schon genannt. Und Propst Bertram von Anß schreibt im Lagerbuch von 1642 von der Mühle zu Oberpleis “so ist doch dieselbige in der Zeit vor der Kirch als Mühl gehalten und gebrauchet worden”.
Im Pleistal gibt es im Jahre 1218 einen Hinweis auf eine Mühle. Im Besitzverzeichnis der Propstei schenkte Sibodo de Molendino, Sibodo von der Mühle, der Kirche zu Pleis 12 Denare (der Wert von 12 Schweinen). Erst Jahrhunderte später, als die hier ansässigen Grundherren urkundlich mehr in Erscheinung treten, werden auch einige zu ihrem Besitz gehörende Mühlen genannt. Der Rittersitz Elsfeld hatte Mühle und Hof zu Freckwinkel, Niederbach einen Hof mit Mühle in Wahlfeld, die Propstei hatte zeitweise zwei Mühlen am Pleisbach, dazu noch eine in Weiler, die zum dortigen Hof gehörte. Aber auch die beiden Mühlen in Nonnenberg und in Quirrenbach könnten aus früherem Besitz eines Grundherren kommen, theoretisch jedenfalls. In Nonnenberg erwarb das Kloster Vilich 1326 einen großen Hof vom Ritter Heinrich von Bachem und seiner Frau Lysa, der später Nonnenhof genannt wurde, und in der Gemarkung Oberhau, in der Kochenbach, hatte das Haus Drachenfels Besitz, welcher 1737 wegen Geldnot der Erben verkauft wurde. Aber auch das Haus Niederbach hatte 1760 noch einen Hof am Hühnerberg (Heckshof ?). Sogar in Uthweiler wäre im Mittelalter eine Mühle denkbar gewesen; zwei Freihöfe, adelige Höfe ohne Steuerabgaben, gehörten 1352 dem Edelmann Gerhard von Stein. Dieser Besitz war um 1570 durch Erbschaft an den Freiherrn von Nesselrath zum Stein (Herrenstein) gekommen. 1642 war der ganze Besitz in Händen Herrn Volmars von Scheidt, genannt Weschpfennig, zu Elsfeld. Von den Höfen ist einer im dreißigjährigen Krieg untergegangen; wenn es dort eine Mühle gab, diese auch. Sie wurde nicht mehr aufgebaut, weil das Haus Elsfeld schon die Mühle in Freckwinkel hatte.
Andererseits ist es verwunderlich, dass um 1605, in der schlechten Zeit vor dem dreißigjährigen Krieg, von den jeweiligen Landesherren die Genehmigung zum Bau von zwei neuen Mühlen gegeben wurde, Döttscheid und Nonnenberg. Die Landesherren brauchten eben Geld.
Die alten Mühlen wurden betrieben auf Grund uralter Genehmigungen und Rechte, auch noch als kirchliche und weltliche Herren ihren Besitz aufgaben oder abgeben mussten. Durch Kauf oder Erbkauf kamen sie in private Hände. Der Neubau und Betrieb einer Mühle im späten Mittelalter war stets mit Abgaben an den Grundherren verbunden, zur Sicherung ihrer Existenz erhielten sie auch noch über einen größeren Bezirk den Mahlzwang. (Cameral- oder Zwangsmühlen.) In preußischer Zeit war die Gewerbefreiheit eingeführt worden, neue Mühlen konnten gebaut werden, die Genehmigung dauerte meist lange. Die Abgaben an die Grundherren fielen weg, stattdessen gab es die Gemeindesteuern. Die Mühlen unterlagen der Gewerbesteuer. Die alten Mühlen hatten einen Bestandsschutz auf Grund “unvordenklicher Verjährung”, wie es im Beamtendeutsch hieß. Sie besaßen ein Wasserrecht, welches die Behörden verlängern mussten. Dies galt für das Wasser, das Wehr mit der Schleuse, aber auch für Mühlengraben und Abfluss, auch wenn die Länderei mit Mühlengraben und Abfluss durch Vererben oder Verkauf in andere Hände gekommen war.
Wenn man von den sieben Mahlmühlen, die um 1800 im hiesigen Bezirk in Betrieb waren, eine abzieht (im Grenzbereich liegend), so war unsere Gemeinde mit Mühlen überbesetzt. Bei einer Einwohnerzahl von ungefähr 1800 im Jahre 1790 kam eine Mühle auf 300 Einwohner. Im Amt Blankenberg mit 19000 Einwohnern und 49 Mühlen wurden 400 Personen von einer Mühle “bedient”. Einhundert Jahre später hatte sich die Zahl der Bewohner unserer Gemeinde mit 3600 mehr als verdoppelt. Die Röttgens- und die Rörigs-Mühle waren dazugekommen, aber die Mühle in Freckwinkel gab es nicht mehr. Zu dieser Zeit kamen etwa 450 Bewohner auf eine Mühle. Unsere Mühlen waren für die Betreiber, ob Besitzer oder Pächter, nie eine ausreichende Existenz. Alle waren mit einer Landwirtschaft verbunden.
Trotz der Fruchtbarkeit des Pleiser Ländchens und größerer Erträge durch den Kunstdünger hat keine unserer Mühlen überlebt. Die technische und wirtschaftliche Entwicklung brachte es mit sich, dass alle Mühlen an Pleis und Lützbach bis Mitte des vorigen Jahrhunderts stillgelegt wurden. Mühlen sind heute Museumsobjekte, die Gaststätte in Uthweiler erinnert noch daran.
Mühle und Müller
Derjenige, der noch in der Holz-Zeit das Rad mit den Zähnen auf einer waagerechten Achse erfunden hat und noch ein gleiches Rad aufrecht daneben stellt, so dass die Zähne der beiden Räder ineinander greifen konnten, der hätte schon einen großen Preis verdient.
Nobel-Dynamit war noch nicht erfunden, und das Geld auch noch nicht. Aber es war gelungen, die Kraft des senkrecht laufenden Wasserrades auf ein waagerecht laufendes Rad zu übertragen. Als sich der Zisterzienserorden vor über 800 Jahren in Mitteleuropa ausbreitete, war er schon führend in der Technik von wasserangetriebenen Maschinen und Gerät. Im nahen Umfeld ihrer Klöster entstanden, auch an kleinen Wasserläufen, Mühlen für viele Zwecke. Das Mühlental in Niederdollendorf ist ein Beispiel dafür. Dazu kam noch am Lauterbach in Heisterbacherrott eine Walkmühle, die bisher in der Literatur noch nicht erwähnt wurde. Die Mühlentechnik ist Jahrhunderte lang gleich geblieben, mit kleinen Unterschieden zwischen Getreide-, Öl-, Lohmühlen und noch einigen anderen. Auf der Achse eines ober-, mittel- oder unterschlächtigen Wasserrades war ein Holzrad montiert mit auswechselbaren Zähnen aus Hartholzbrettchen. Die Zähne griffen in die Zähne eines gleichen, wenn auch kleineren Rades auf einer senkrecht laufenden Achse. Die war mit einem starken Rundeisen verlängert, das durch den unteren, fest aufliegenden Mahlstein hindurchging und darüber noch ein gutes Stück vorstand. Das obere Ende war als Mitnehmer für den oberen Mahlstein geformt. In der Öffnung des oberen Mahlsteins war in der Mitte ein Eisen eingelassen, das in den Mitnehmer am oberen Ende der Achse passte. Der obere Stein war der Läuferstein, der lose auf der Achse auflag. Das Getreide wurde in die zentrale Öffnung des Läufersteins eingefüllt und das Gemahlene kam zwischen den Steinen heraus. So einfach war das, aber nur am Anfang.
Der Mahlstein ist eine Wissenschaft für sich, und man konnte nicht jeden Stein als Mahlstein gebrauchen. Steine aus Basaltlava sollen die besten sein, und die teuersten. Sie kamen aus der Südeifel, aus der Nähe des Lacher Sees. Am gebräuchlichsten war der Sandstein. Um 1840 wurde aus Frankreich der Champagner-Stein eingeführt, ein Stein aus Quarz. Bei den vorhergehenden Steinen musste die Frucht vor dem Mahlen angefeuchtet werden. Dadurch wurde das Zerpulvern der Schalen verhindert. Mit dem neuen Stein konnte trocken gemahlen werden. In die Mahlsteine waren geschwungene Rillen eingemeißelt. Diese mussten regelmäßig geschärft werden. Die Rillen führten das Gemahlene nach außen.
Um beide Mahlsteine kam die Zarge, ein Kasten mit einer Öffnung im Boden, durch welche das Gemahlene nach unten in einen Behälter geführt wurde. Die weitere Entwicklung brachte um 1600 ein vom Mahlgang angetriebenes rüttelndes Sieb- und Beutelwerk. Damit konnte das Grobe vom Feinen getrennt werden. Um 1800 kamen Mühlen mit mehreren Gängen in Betrieb. 1815 wurde das Rheinland preußisch, der Zehnte und die Abgaben an die Grundeigentümer wurden abgeschafft. Die Mühlen fielen unter die im Jahre 1820 ein-geführte Gewerbesteuer. Im Jahre 1830 beantragten die Müller eine Ermäßigung der Gewer-besteuer. Sie betrug für eine Mühle mit einem Mahlgang 6 Thaler, mit zusätzlichem Schäl- und Grützegang zwei Thaler mehr. Als Grund für die Beschwerde wurde die große Konkurrenz und dadurch bedingt ein geringer Mahllohn angeführt, zudem der lange Stillstand in den Sommermonaten zwischen Johannes und Martini wegen Wassermangel. 1873 wurde eine Mühlensteuer eingeführt. Zur Berechnung derselben waren 1868 die Leistung der Mühlen geschätzt und der Gewinn errechnet worden. Schätzer und Sachverständiger für die Mühlen zu Oberpleis war der frühere Müller und jetziger Gastwirt Frembgen aus Dollendorf. Für die Mahlmühle des Jodocus Pütz aus Oberpleis, unterhalb der Kirche, errechnete er einen Durchgang von 3 1/2 Malter Roggen, etwa siebeneinhalb Zentner, Tag für Tag gerechnet, auch Sonn- und Feiertags. Bei einer Molter, das ist der Mahllohn, von 1/16 des Getreides, und einem Preis von fünf Thaler für das Malter Roggen war das ein Ertrag von 400 Thalern jährlich. Dieser konnte noch durch Getreidehandel gesteigert, aber bei schlechten Ernten und guten Kunden durch Verringerung des Mahllohns auch gemindert werden. In seltener Einmütigkeit legten die Müller Einspruch gegen das neue Gesetz ein, mit denselben Argumenten wie vorher.
Die meisten Mühlen waren Nebenbetriebe einer Landwirtschaft und erforderten zusätzliches Wissen und handwerkliches Können. Ist die Mühle aufgestellt und eingerichtet, war der Müller meist auf sich allein gestellt. Der Beruf war hart, sicher auch nicht ganz gesund wegen des Wassers und wegen des Mehlstaubes. Vielleicht waren das die Gründe für häufige Besitzerwechsel auf verschiedenen Mühlen. In der Wahlfelder Mühle wurden fünf Müller keine 45 Jahre alt. Der Beruf war aber ein angesehener Beruf, mehrfach bekleiden Müller ein Schöffenamt. Die Gräfin von Spee beruft sich in einem Brief 1788 an ihren Waldhüter auf die Zeugenaussage „unseres Müllers“. Gegen 1805 gab es in Oberpleis noch zwei Mühlenbauer, Jakob Ellingen im Dorf und Peter Müller zu Boseroth. Er war der Schwiegersohn des früheren Müllers Siberig zu Nonnenberg.
Als um 1860 für große stationäre Maschinen die Dampfkraft eingesetzt werden konnte, und fünfzig Jahre später die Elektrizität jedermann zur Verfügung stand, hätte doch eigentlich für die alten Wassermühlen eine Modernisierungswelle kommen müssen. Die hiesigen Müller blieben jedoch bei der althergebrachten Wasserkraft, weil sie den alten Mühlen rechtlich zustand und zudem nichts kostete. In einigen Mühlen wurden jedoch die alten hölzernen Achsen und Kammräder gegen solche aus Eisen mit gusseisernen Zahnrädern ausgetauscht. Aber die Industrie hatte auch schon um die Jahrhundertwende vor dem ersten Weltkrieg Großmühlen entwickelt. Sie arbeiteten ganz ohne die bisher üblichen Mahlsteine mit sogenannten Walzenstühlen aus Eisen. Diese waren um ein vielfaches leistungsfähiger für jedes Getreide. Mit ihnen konnte Mehl in allen Sorten und in bester Qualität produziert werden. Die technische und wirtschaftliche Entwicklung brachte es auch noch mit sich, dass man das alles fertig abgepackt in jedem Dorfladen kaufen konnte. Zudem kamen für die Landwirte Kleinmühlen auf, mit denen sie das Getreide für Futterzwecke selber zerkleinern und für den Bedarf des Hofes selber herstellen konnten. Damit waren Voraussetzungen für das Ende der Wassermühlen gegeben, wenn es auch noch einige Jahrzehnte dauerte. Aber es hieß auch, dass der Verband der Großmühlen mit Abfindungen diesem Ende nachgeholfen habe, bis schließlich keine mehr „am rauschenden Bach klapperte“.
Das Wasserrecht wurde von den Behörden zurückgefordert. Wenn man heute eine alte historische Mühle wieder funktionsfähig machen würde „wie es früher einmal war“, wären doch einige wasserrechtliche Auflagen zu erfüllen, die es in früheren Zeiten nicht gab. Die Auflagen betreffen die vorgeschriebene Höhe für das Wehr und die Schleuse, den Mühlengraben und die Fischtreppe, sowie einen garantierten Durchfluss an Wasser zur Sicherung des Lebens im unteren Teil des Bachs. Der Mindestdurchfluss an Wasser beträgt für die kleine, noch funktionstüchtige Mühle im Irsertal, (hinter Leuscheid) 16 1/2 Liter die Sekunde, das sind etwa 6 cbm Wasser die Stunde. Wenn der nicht gegeben ist, darf die Schleuse zur Füllung der Kluhs nicht geöffnet werden, und es kann nicht gemahlen werden.
Im Siegkreis bemühen sich mehrere Heimatvereine um den Erhalt einiger Mühlen. Bei Heimat- oder Dorffesten werden sie dann auch schon mal in Betrieb genommen.
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